10.2.8 Tradition des Weinbaus: „Wieder auferstandene“ „Vinea Domini“

Nicht nur der Standort des Beethoven-Gymnasiums verwies die Schule auf die Beschäftigung mit dem Weinbau, auch im altsprachlichen Unterricht fanden sich genügende Anlässe hierfür. So vermochte der stellvertretende Schulleiter Dr. Schmitt die Teilnehmer seines Griechischkurses in Klasse 10 dafür zu begeistern, seit März 1982 in Pacht einen in Steillage brachliegenden Weinberg in Lehmen an der Mosel in mühsamer Arbeit wieder herzurichten, so dass ein Jahr später 200 Rieslingstecklinge gesetzt werden konnten. Zum Abitur hoffte man die ersten Flaschen des eigenen Gewächses Marke Würzley zu öffnen.

Das „weinselige“ Vorhaben wirkte ansteckend; am 31. Januar 1983 überraschte der Schulleiter das Kollegium mit einem Hinweis auf die „wieder auferstandene“ „Vinea Domini“, den er ausdrücklich nicht als Karnevalsscherz aufgefasst wissen wollte: Der Schule werde – durch Vermittlung des Schulpflegschaftsvorsitzenden – der in der Rheinaue anlässlich der Bundesgartenschau 1979 vom Land Rheinland-Pfalz angelegte Weinberg (halb Riesling, halb Spätburgunder) zur Pflege und Nutzung angeboten. Da sich im spontan gegründeten „Weinkollegium“ (mit eigener Satzung) genügend Mitglieder zusammenfanden, um diese gemeinschaftsstiftende, aber auch publikumswirksame Aufgabe zu übernehmen, konnte der Vertrag – im Beisein der Weinkönigin und des Weinbauministers von Rheinland-Pfalz – am 20. Mai 1983 unterzeichnet und der bis zur Wiedervereinigung nördlichste, in die Weinrolle des Landes Nordrhein-Westfalen eingetragene Weinberg der Bundesrepublik Deutschland der Schule übergeben werden. Vom Ertrag erhielten als Zinsdeputat der Eigentümer der 500 Stöcke (Rheinland-Pfalz) 20% der Ernte, die Bodenherrin (Stadt Bonn) 10%.

Die damalige Staatliche Weinbaudomäne Marienthal kelterte seither den Wein mit der amtlichen Sortenbezeichnung „Vinea Domini – Vinum Collegii Archigymnasii Bonnensis“, der u. a. bei der nächsten Lese verkostet wurde, und die Stadt Bonn nahm jeweils, in Person des Bürgermeisters, bei dieser Gelegenheit ihren Anteil in Anwesenheit einer großen Zahl von Gästen und Eltern entgegen. Ein Abguss eines alten Grenzsteins der für Kurfürst Clemens August angelegten „Weinberge des Herren am Ufer des Rheins“ erinnert nunmehr am südlichen Ende des „Weinbergs des Beethoven-Gymnasiums“ an diese Tradition und an den Standort der Schule „auf“ der damaligen „Vinea Domini“.

Anfang April 1984 durfte der erste Jahrgang „Vinea Domini“ (169 Flaschen Spätburgunder und 206 Flaschen Riesling), von der staatlichen Weinbaudomäne aufbereitet und, die Flaschen mit schuleigenem Etikett versehen, probiert werden. Noch etwas beschwingt von diesem hoffnungsvollen Genuss, machten sich zwei Wochen später ca. 20 Mitglieder des „Weinkollegiums“ auf, um in der Rheinaue den ersten Rebschnitt unter fachkundiger Leitung des stellvertretenden Schulleiters zu bestehen. Anfang Juni erhielten der Bonner Oberbürgermeister und der Vertreter der rheinlandpfälzischen Regierung bei „gelöster Stimmung“ in der Rheinaue das erste fällige Weindeputat, von dem sich das Weinkollegium – angesichts des vollen eigenen Weinkellers – ohne Tränen trennen konnte.

 

Die Aussicht auf ein „Gläschen“ veredelte die ansonsten etwas getrübte Stimmung des letzten Schultages 1984: Über 600 Schülerinnen und Schüler und das Kollegium versammelten sich gegen 7.15 Uhr in der Nähe von Seidlers Wohnung in der Endenicher Allee und begleiteten ihn an seinem letzten Schultag in einem „heiter-melancholischen Triumpfzug“ zunächst zu einem ökumenischen Gottesdienst in die Kreuzkirche und anschließend zur Schule zu seiner Verabschiedung.


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