12.3.3 Nachmittagsunterricht an drei Wochentagen

Der Runderlass vom 31. Juli 2008 verdeutlichte die rechtlichen Grundlagen und regelte das Verfahren zur Neustrukturierung des Unterrichts (unter den Bedingungen des G8). Vollzeitunterricht an wöchentlich fünf Tagen wurde zur Regel; über Ausnahmen (Unterricht an höchstens zwei Samstagen – auch für Teilstufen möglich) entschied die Schulkonferenz. Die Unterrichtsverteilung und -organisation hatte sich an folgende Vorgaben zu halten:

  • in den Stufen 5/6 an höchstens einem Nachmittag Unterricht;
  • in den Stufen 7/8 an höchstens zwei Nachmittagen Unterricht;
  • am Vormittag nicht mehr als sechs Unterrichtsstunden;
  • in der Sek. I Vormittags- und Nachmittagsunterricht insgesamt nicht mehr als acht Stunden;
  • Mittagspause zwischen Vormittags- und Nachmittagsunterricht 60 Minuten;
  • die Schule gewährleistet die Aufsicht;
  • keine Klassenarbeiten am Nachmittag;
  • an Tagen mit Nachmittagsunterricht keine Hausaufgaben in Fächern, die auch am folgenden Tag unterrichtet werden.“

 

„Zum Verfahren:

Lehrerkonferenz, Schulpflegschaft, Klassen- und Jahrgangsstufenpflegschaften sowie der Schülerrat beraten über die geplante Unterrichtsverteilung, so dass sie sich vor der Schulkonferenz entsprechend äußern können, die den endgültigen Beschluss fasst. Zu deren Sitzung werden der Schulträger und der/die Vorsitzende der Schulpflegschaft eingeladen.

Eine mehr als nur geringfügige Verkürzung der Mittagspause über den 31. Januar 2009 hinaus ist nur so lange übergangsweise möglich, bis die Infrastruktur für eine Mittagspause geschaffen worden ist, längstens jedoch bis zum 31. Januar 2011. Dies bedarf der Zustimmung der Schulpflegschaft“.

 

Mittlerweile hatte die Stadt die nötigen Gelder für den Umbau der ehemaligen Hausmeisterwohnung bewilligt und zugesagt, die entsprechenden Bau- und Einrichtungsmaßnahmen bis zum Ende der Sommerferien 2009 abzuschließen. Vorgesehen waren zwei Räume, in denen 60 bis 70 Kinder (44 und 20 bis 26) essen konnten. Das Mittagessen sollte von einer Catering-Firma angeliefert werden, die auch die Austeilung des Essens übernehmen wollte (vor Ort war nur eine Warmhalteküche vorgesehen). Das Mobiliar für die beiden Speiseräume sollte unter dem Gesichtspunkt ausgesucht werden, dass es leicht für eine anderweitige Nutzung der Räume zu entfernen war.

 

Arbeitsgruppen des Kollegiums arbeiteten verschiedene Modelle für die zu verteilenden Unterrichtsstunden aus (Stufe 5: 30; Stufe 6/7: 32; Stufe 8/9: 34), wobei die Stufe 5 mit reinen Vormittagsstunden unberücksichtigt blieb (Gottesdienst mittwochs in der ersten Stunde zählte nicht als Unterricht). Für die Stufe 6/7 bestand die Möglichkeit, den über 30 Stunden hinausgehenden Unterricht jeden zweiten Samstag oder an einem Nachmittag zu halten, für die Stufe 8/9 jeden zweiten Samstag und an einem Nachmittag oder an zwei Nachmittagen. Bei einer Entscheidung für Nachmittagsunterricht sollte der Freitag nach der sechsten Stunde frei sein. Auch war aus Gründen der Praktikabilität zu vermeiden, dass an einzelnen Tagen sämtliche Stufen gemeinsam unterrichtet würden (zu kleine Mensa). Schließlich bedeutete eine Koppelung der Stufen 6 und 7 einen zu hohen Betreuungsbedarf.

Das Modell einer Umstellung auf 60-Minuten-Unterrichtseinheiten, das bei fünf auf einander folgenden Stunden – mit entsprechenden Pausen – Nachmittags- und Samstagsunterricht vermeiden könnte, widersprach dem Sinn des Erlasses und setzte die gleiche Regelung der Kooperationsschulen voraus. In keiner Weise praktikabel und umsetzbar war dieses Modell bei einer Pause nach der vierten Stunde, weil dann alle Stufen gleichzeitig das Essen einnehmen müssten (wofür weder die Raum- noch die Personalkapazität ausreichte).

 

In der Schulpflegschaftssitzung am 8. Dezember 2008, dem ersten Gremium, dem die Modelle vorgestellt wurden, waren die Meinungen sehr geteilt. Die Befürworter eines Samstagsunterrichts sahen die Vorteile vor allem in der „Entspannung des Arbeitstages der Kinder unter der Woche“. Andererseits würde „erheblich in die Familien eingegriffen und das gemeinsame Wochenende beeinträchtigt“. Gerade dies vermied der Nachmittagsunterricht, der zudem „zwar als belastend, aber zumutbar“ empfunden wurde. Allerdings ging das zu Lasten nachmittäglicher außerunterrichtlicher Aktivitäten (Musik, Sport, muttersprachlicher Unterricht, usw.). Bei einer Probeabstimmung ergab sich „nahezu ein Patt“ zwischen den Modellen des Nachmittags- und des Samstagsunterricht. Man beschloss daraufhin, im Anschluss an das Schulhalbjahr in allen Klassen/Stufenpflegschaften über die Modelle abstimmen zu lassen und das Votum der Schulkonferenz zu übermitteln.

 

Auf der Lehrerkonferenz am 8. Januar 2009 wurde über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Modelle und über die noch zu lösenden Probleme ähnlich kontrovers diskutiert. Gegen den Samstagsunterricht sprach vor allem, dass er nur eine bedingte Entlastung am Nachmittag gewährte und die „Erhaltung des freien Samstags für das Familienleben von großer Bedeutung sei“. Das Modell eines Unterrichts an nur drei Nachmittagen hatte den Vorteil, dass noch zwei Tage frei für andere Aktivitäten und den Lehrern mehr Zeit zum Korrigieren blieben. Wenn es auch keine Fächerauswahl für den Vor- oder Nachmittag geben sollte, so waren doch mehr Doppelstunden als früher notwendig, um die Schüler nicht mit zu vielen Fächern an einem Tag zu überfordern.

Im Hinblick auf die nutzbaren Räume und die Beschäftigungsangebote über Mittag bevorzugte man die sog. „Insellösung“, bei der kleine Schülergruppen z. B. in der Turnhalle, der Bibliothek oder in einzelnen Klassenräumen die von ihnen bevorzugten Angebote wahrnehmen konnten (z. B. Bewegung, Ruhen, Lesen, Hausaufgaben, Mathematik-Werkstatt, Englisch-Fragestunde, usw.). Eine 60minütige Aufsicht sollte mit einer halben Pflichtstunde auf das Stundenkontingent eines Lehrers angerechnet werden. Darüber hinaus konnten Fremdkräfte die Aufsicht/Betreuung übernehmen, wofür der Schule 25.000 € zur Verfügung standen.

 

Schließlich sprach sich die Konferenz – bei nur 10 Gegenstimmen – für einen Nachmittagsunterricht aus, in einem zweiten Schritt mit ganz großer Mehrheit für den nachmittäglichen Unterricht an drei Wochentagen.

 

Bis zu einer endgültigen Entscheidung durch die Schulkonferenz im Frühjahr 2009 sollten Arbeitsgruppen weitere Vorschläge für noch zu lösende Probleme machen:

  • die Organisation eines Mittagsessens für zwei Jahrgangsstufen innerhalb von 60 Minuten in der ehemaligen Hausmeisterwohnung;
  • verbindliche Festlegung der gleichzeitig zu unterrichtenden Jahrgangsstufen und der jeweiligen Wochentage (Planungssicherheit);
  • geeignete Räume zur Nutzung nach dem Mittagessen;
  • Angebot an sinnvollen Freizeit-, Entspannungs- und Spielmöglichkeiten (freie Wahl, zeitliche Begrenzung);
  • Aufsichtspersonen in den 60 Minuten“.

Schließlich war auch zu klären, „wie das umfangreiche AG-Angebot des Beethoven-Gymnasiums möglicherweise in einer Förderschiene in den Vormittag eingebaut werden“ könnte, „um auch weiterhin vorbereitungsintensive Projekte, z. B. des Chors, zu ermöglichen und insgesamt das Profil der Schule zu wahren“.

 

Nachdem sich die Schulkonferenz dem Votum der Lehrerkonferenz (Nachmittagsunterricht an drei Wochentagen) angeschlossen hatte und die Mensa fertig gestellt war, konnte die Übermittagbetreuung im Schuljahr 2009/10 (zunächst nur für die Klassen 6 und 9) beginnen. Dienstags hatten die Klassen 6 zwei Nachmittagsstunden, montags und mittwochs die Klassen 9 jeweils zwei Stunden. Da der Stundenplan vermehrt Doppelstunden ermöglichte, konnten Fächer zu einem 14tägigen Unterricht (A- und B-Wochen) zusammengelegt werden, so dass auch den Lehrkräften zu viele Freistunden erspart blieben.

Ein „Catering-Service“ mit zwei Küchenkräften lieferte das Essen. Das Angebot umfasste zwei Gerichte, darunter ein vegetarisches; zusätzlich konnte noch ein Dessert den Genuss abrunden (die Bestellungen liefen über das Internet). Die „Jugendfarm Beuel“ koordinierte die Übermittagbetreuung (4 Betreuerinnen für Sport, Spiel und Kunst). Da sowohl Mittagessen und Betreuung sich bewährt hatten, konnte ein Raster für die Mittagspausen ab 2011/12 festgelegt werden: dienstags Stufe 6   7. Stunde, Stufe 7   6. bzw. 7. Stunde, Stufe 8 und 9 montags und mittwochs 7. Stunde, Stufe 10 jeden Wochentag 6. Stunde. Eine Psychologin bot dienstags in der 7. Stunde ihre Hilfe an. Außerdem war das Beethoven-Gymnasium offiziell anerkannte Zivildienststelle, so dass ehemalige Schüler als Zivildienstleistende in die Betreuung eingebunden werden konnten. Mit diesen Maßnahmen der letzten drei Schuljahre hatte das Beethoven-Gymnasium die wichtigsten Hürden in der Neustrukturierung des Schulalltags unter den Bedingungen von G8 genommen.

 

Zu Beginn des Schuljahres 2008/09 wurde offenbar, dass Schulleiter Wolfshohl krankheitsbedingt früher als gedacht das aktive Berufsleben aufgeben musste. Das Abschiednehmen fiel ihm schwer, weil er vor allem erst noch die reibungslose Einführung von G8 zu Ende bringen wollte. Doch blieb ihm die Gewissheit, mit allen am Schulleben Beteiligten „manches Neue“ bewältigt zu haben, „ohne dass Bewährtes zerschlagen wurde“. Wolfshohl schied nach eigenem Bekunden in der Überzeugung, „dass man in zugewandtem gesprächsbereiten Miteinander auch schwierige Hürden nehmen und vieles gestalten“ könne.

Die Verabschiedung erfolgte in zwei Schritten. Auf der offiziellen Feier in der Aula am 16. Dezember 2008 wurde deutlich, so der Chronist des Jahresberichtes 2009 des Beethoven-Gymnasiums, dass alle Beteiligten Wolfshohls vorzeitigen Abschied „als großen Verlust“ betrachteten. Zur zweiten Feier am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien erwartete die ganze Schulgemeinde (einschließlich des Autors) Wolfshohl, „von einem Schüler- und Luftballonspalier begrüßt“, zu einem Taizé-Gottesdienst in der Kreuzkirche. Die anschließende endgültige Verabschiedung im Lehrerzimmer fand der Chronist „herzlicher und intimer“ als die erste. Allerdings sollte „endgültig“ aus heutiger Sicht nicht so wörtlich genommen werden, denn Wolfshohl stand mit Rat und (vor allem) Tat der nachfolgenden Schulleitung zur Verfügung und erwies ihr noch manchen Dienst.


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