Mit der Beruhigung der politischen Situation in der Rheinprovinz 1925/26 konnte das Provinzialschulkollegium (PSK) nunmehr auch in dieser Region dazu übergehen, die Reform zügig durchzusetzen und seit 1926 zunächst Übergangsrichtlinien zu verordnen, die in den allgemeinen, in den Fach- und Klassenkonferenzen besprochen und ausgeführt werden sollten. Aus dem preußischen Beamtentum der Kaiserzeit hervorgegangen, konnte Genniges gleichwohl, nach dem Urteil der Zeitgenossen, allen Anforderungen der Schulreform und der neuen Lehrpläne und Unterrichtsmethoden gerecht werden. Mit großer „geistiger Beweglichkeit“ und „Anpassungsfähigkeit“ widmete er sich der Aufgabe, wie man im Unterricht „wirklich wertvolles Wissen“ vermitteln und den „Geist des Schülers am fruchtbarsten“ anregen konnte.
Seit Beginn 1927 war die Umsetzung der Richtlinien beherrschendes Thema der Konferenzen. Genniges schickte in der Regel die Vorsitzenden der Fachkonferenzen zu den „Fortbildungskursen zur Durchführung der Schulreform“ und ließ sie z. T. auch in den allgemeinen Konferenzen darüber berichten. Er beauftragte Kollegen, zur Beurteilung und Umsetzung wichtiger Kernthemen der Richtlinien „Leitsätze“ zu erarbeiten, die dann nach eingehender Beratung und mit eventuellen Änderungen bzw. Zusätzen vom Kollegium angenommen wurden. Diese Entscheidungen flossen auch in die Erstellung der „Jahrespläne“ für die einzelnen Klassen ein, die die Lehrer zu Beginn des jeweiligen Schuljahres dem Schulleiter abgeben mussten, der sie seinerseits in seinem Bericht an das Provinzialschulkollegium (PSK) weiter verwendete. Außerdem ließ Genniges Themen und Arbeitsaufträge für die Rheinische Direktorenkonferenz im Kollegium besprechen, um dessen Votum dann im Kreise der Direktoren weiter zu beraten sowie Anregungen und Entscheidungen der Direktoren anschließend in seiner Schule wieder zu behandeln. Auf diese Weise fand ein reger Gedankenaustausch zwischen den verschiedenen Ebenen statt, und das PSK konnte sich einen Überblick über Umsetzung und Fortschritt der Reformen machen. Die Teilnahme von Mitgliedern des Elternbeirates an den Fortbildungskursen, „damit sie sich ein Bild von der Arbeit des Philologenstandes machen“ könnten, lehnte das Kollegium des Beethoven-Gymnasiums ab.
Anlässlich eines ersten Erfahrungsberichtes über das Abitur nach der neuen Prüfungsordnung wandte sich das Kollegium vor allem gegen die Verbindlichkeit einer mündlichen Prüfung und verlangte das Recht der Prüfungskommission, „einerseits unzweifelhaft reife Schüler von der mündlichen Prüfung zu befreien, andererseits unzweifelhaft nicht reife Schüler von ihr ausschließen zu können“. Auch die Vorgabe, in der mündlichen Prüfung dem Schüler eine größere Aufgabe zu geben, die er in freiem Vortrag zu behandeln hatte, beurteilte man vor allem im Hinblick auf das Wahlfach skeptisch, da sich hier der Prüfling zu sehr auf ein Thema und dessen entsprechende Darbietung vorbereiten würde. Man bevorzugte wohl einen Text oder eine Aufgabe und deren Übersetzung, Interpretation bzw. Lösung als Ausgangspunkt einer Prüfung. Der Schulleiter wollte noch einen neuen Passus hinzugefügt wissen, nach dem ein durchgefallener Schüler gegebenenfalls schon nach einem halben Jahr zur Wiederholung der Prüfung zugelassen werden könnte.
6.4.2 Der Deutschunterricht: Wahlthemen im Aufsatz