Das Beethoven-Gymnasium stellte sich auch der seit Ende der 20er Jahre kontrovers geführten Diskussion über die „Überfüllung“ der höheren Schulen und die „Abiturienteninflation“. Am 1. Februar 1928 besuchten das zweizügige Beethoven-Gymnasium 495 Schüler (1. 2. 1927: 485). Am 1.Februar 1930 waren es 546, davon „452 katholisch, 91 evangelisch, 2 jüdisch, 1 Dissident“; 365 „einheimisch“, 156 „Fahrschüler“, 14 „zu Fuß“, 11 „in Pension“.
Das Kollegium beriet 1929/30 in einigen Konferenzen, welche Aufgabe der Schule aus diesem „Schülerzustrom“ erwachse, wobei es von dem obersten Grundsatz ausging: dem Abitur am Gymnasium als „Reifeprüfung für das Universitätsstudium“, denn die „wissenschaftlichen Ziele“ ständen der höheren Schule „näher als die praktischen“. Die Schule müsse das Recht haben, Schüler, „die sich nach dem einstimmigen Urteil der Klassenkonferenz“ für das Gymnasium nicht eigneten, „zu entlassen“.
Andererseits müssten die „Begabten“ besonders gefördert werden, was sich aber bei den überfüllten Klassen als unmöglich erweise (Ostern 1930: z. B. in den Eingangsklassen 35, in IV 40 bzw. 39, in OIII 38). Der Schulleiter ordnete daher den Klassenlehrern an, begabte Schüler zu nennen, die eventuell die Klasse überspringen könnten. Das ganze Problem der Begabtenförderung sah er als ein finanzielles an: Um vor allem auch „minder bemittelte Schüler“ besser fördern zu können, müssten die bisherigen Bestimmungen über Geschwisterermäßigungen (beim Schulgeld) eine durchgreifende Veränderung erfahren (Das Schulgeld betrug in der zweiten Hälfte der 20er Jahre 200 RM jährlich bei einer einmaligen Aufnahmegebühr von 5 RM). Von dem Schulaufkommen standen 20% für die Geschwisterermäßigungen (die zunächst berücksichtigt wurden), sowie für die Erziehungsbeihilfen, die Hilfsbücherei usw. zur Verfügung und nur der Rest (am Beethoven-Gymnasium meist nur 1/5) blieb für Freistellen (Schulgeldbefreiung) übrig, – oft genug halbiert oder geviertelt. Je nachdem, wie das Recht auf Geschwisterermäßigung in Anspruch genommen wurde, variierte daher auch die Zahl der Freistellen an den verschieden Schulen. „Gesuche um Erlaß oder Ermäßigung des Schulgeldes“ mussten „unter Darlegung der Einkommensverhältnisse in der ersten Woche des Schuljahres eingereicht werden“. Es konnten „nur wirklich bedürftige Schüler berücksichtigt werden, die durch Begabung, gute Führung und befriedigende Leistung einer solche Unterstützung würdig“ waren.
Die Hilfsbücherei umfasste 1929 5104 Bände (großenteils für die deutsche und altsprachliche Lektüre sowie für die „Musikpflege“ und den Arbeitsunterricht in Geschichte). Die behördlichen Bestimmungen schrieben vor, „Lesebücher vorab nur an solche Schüler“ zu verleihen, „denen die Beschaffung der Schulbücher aus eigenen Mitteln Schwierigkeiten bereitete“. Den „bedürftigen“ Schülern konnten nach den Angaben von Genniges „in weitem Umfang Lehrbücher unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden“. Die Schule entlastete damit spürbar kinderreiche Familien, die sie bei der „Verteilung der verfügbaren Bücher geflissentlich bevorzugt[e]“. Darüber hinaus konnten geschichtliche Quellenhefte und sprachliche „Lesestoffe“ zur gelegentlichen Benutzung ausgeliehen werden.
Aus Gründen der besseren Förderung „Unbemittelter“ und der „Gleichstellung der Anstalten“ forderte der Schulleiter „10% des Schulgeldaufkommens für Gewährung von Freistellen, ungeschmälert durch die Geschwisterermäßigungen“. Aus dem Kollegium kam auch noch der Hinweis, die augenblickliche Bestimmung benachteilige sogar kinderreiche arme Familien: Sie könnten meistens nur eines ihrer Kinder zur höheren Schule schicken. Da diese dann keine weiteren Geschwister auf der Schule hätten, bekämen sie auch keine Geschwisterermäßigung. Sozial besser gestellte kinderreiche Familien schickten dagegen alle Kinder auf das Gymnasium, so dass die Geschwistermäßigung „nicht selten eine Förderung Unbegabter oder nur mittelmäßig Begabter“ sei auf Kosten der Ärmeren. Doch diese zu Beginn der Weltwirtschaftskrise geäußerten Vorschläge verhallten wirkungslos, so dass sich weiterhin die Schule bei der äußerst schwierigen Frage der Vergabe von Freistellen um einigermaßen Chancengerechtigkeit bemühen musste. Am 1. Oktober 1931 traten weitere drastische Sparmaßnahmen auf dem Gebiet des höheren Schulwesens in Kraft.
Die Berufsberatung der Schüler „erfolgte in der Weise, daß sich vier Herren aus dem Lehrerkollegium in die für die Schüler“ des Beethoven-Gymnasiums „in Betracht kommenden Berufe teilten, sich mit deren Bedingungen vertraut machten und Eltern wie Schülern für Besprechungen zur Verfügung standen“. Obwohl ein öffentlicher Aushang jeweils auf eine solche „Einrichtung“ hinwies, musste z. B. 1930 Genniges enttäuscht feststellen, dass „von dieser kein Gebrauch gemacht“ wurde. Darüber hinaus gehörte ein Lehrer dem Beirat des „Städtischen Berufsamtes“ an, das zwei Vorträge über die Berufswahl veranstalte, – im Januar für die Abschlussklassen und im Februar für die Schüler, die mit dem „Einjährigen“ nach der Untersekunda (Klasse 10) abgehen wollten. Genniges fand es „besonders wertvoll …, daß den Oberprimanern Gelegenheit zu Fragen gegeben wurde“.
zurück zum Inhaltsverzeichnis