8.10 Ende des Schulunterrichts und Zerstörung des Gebäudes (1944)

Nach den Sommerferien 1944 konnte kein Unterricht abgehalten werden: Die HJ nahm in Klassenräumen die Musterung der für Arbeiten am Westwall vorgesehenen Jahrgänge 1927-1930 vor. Am 2. September 1944 wurde – trotz der Proteste des Direktors – die Schule für die Aufnahme von Flüchtlingen beschlagnahmt und angewiesen, Klassenzimmer zu räumen und mit Strohsäcken zu belegen. Der Schulleiter hoffte sogar, eventuell noch – notfalls nachmittags – in einer anderen Schule unterzukommen. Die letzte Konferenz im alten Gebäude am 4. September 1944 endete daher mit dem „letzten Punkt“ des von Bös selbst geschriebenen Protokolls: „Der Direktor berührt die militärische Lage und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß es unserer Führung gelingen werde, die Front zu sichern. Es könne dann für absehbare Zeit mit der Freigabe der Schule und dem Wiederbeginn des Unterrichts gerechnet werden“.

Dazu kam es allerdings nicht mehr, da nach den Sommerferien der Schulunterricht in Bonn aufhörte. Die Lehrer mussten sich zunächst täglich, dann mittwochs und samstags „zu Dienstangelegenheiten“ mit anschließenden pädagogischen bzw. wissenschaftlichen Vorträgen und Berichten im Lehrerzimmer einfinden.

 

Bei dem Bombenangriff am 18. Oktober 1944 zerstörten fünf Sprengbomben das Schulgebäude. Bis auf einige Reste ging die umfangreiche und wertvolle Bibliothek mit ihren vielen mittelalterlichen Urkunden, Handschriften, Inkunabeln und Folianten teils durch Brand, teils durch Feuchtigkeit im Keller zugrunde. Nach Aussagen des Kollegen und späteren Schulleiters Dr. Grenzmann blieb der Luftschutzkeller durch seine schweren Gewölbe unbeschädigt, so dass die anwesenden Mitglieder des Studienseminars und weitere Personen, die sich im Hause aufgehalten oder dorthin während des Alarms geflüchtet hatten, gerettet wurden. Der Ausstieg gestaltete sich als sehr schwierig, weil das Geröll der Mauern dicht vor der Tür lag. Da die Häuser neben und gegenüber der Schule lichterloh brannten, blieb nur der Weg durch Hitze und dichten Rauch über den Schulhof zum Rhein. Dank des Einsatzes von Bös, Hausmeister Ilse und einigen Lehrern konnten aus dem brennenden und einstürzenden Gebäude einige Akten und Bücher usw. gerettet und auf Handkarren zur Clara-Schumann-Schule gefahren werden, wo allerdings während des „Zusammenbruchs“ auch noch Vieles verloren ging.

 

Für das Lehrerkollegium fanden nunmehr die „Dienstangelegenheiten“ mittwochs und samstags im Lehrerzimmer der Clara-Schumann-Schule statt, – mit anschließendem Bergungsdienst im zerstörten Gebäude des Beethoven-Gymnasiums, dessen Vordereingang gesperrt war, da der Giebel einzustürzen drohte. Es galt zunächst erst einmal, die „geretteten Güter“ zu sichern, um sie dann in erreichbarer Nähe unterzubringen. Die noch erhalten gebliebenen Tafeln, Schulbänke und Lehrerpulte mussten im Gebäude bleiben. Die von dem zwischendurch einquartierten Polizeibataillon VI mitgenommenen Einrichtungsgegenstände des Oberstudienratszimmers standen im Museum König. Für die Bergung der übrigen Güter stellte der Kommandeur am 24. Oktober 1944 einen Wagen mit mehreren Soldaten zur Verfügung, so dass unter Mithilfe einiger Lehrer und jüngerer Schüler die meisten Dinge in den Zeichensaal der Clara-Schumann-Schule gebracht werden konnten, während eine Kiste mit wertvollen Büchern im Keller Platz fand.

Bevor allerdings die genaue Sichtung und Ordnung des geretteten Materials beendet wurde, musste das Lehrerkollegium in die benachbarte Wetzlarschule umziehen (Hauswirtschaftsschule Ecke Loe Straße/Bonner Talweg), wo man ihm Zimmer 25 im 1. Stock als Amtszimmer und Sammelraum zur Verfügung stellte. Bei dem Transport zur und innerhalb der Wetzlarschule gingen jedoch einige Gegenstände verloren. Die Lehrer wurden vom Schulleiter mehrmals angehalten, jede Möglichkeit zum Ersatz der wertvollen Bestände beim Wiederaufbau der Lehrerbibliothek zu nutzen. Die Personalblätter der früheren und augenblicklichen Lehrer waren bei dem Angriff vernichtet worden. Das restliche geborgene, für die Dienstgeschäfte notwendige Material befand sich jetzt in Zimmer 25, so dass hier wochentags von 11 – 12 Uhr Sprechstunden abgehalten werden konnten.

Die meisten Lehrer waren mit der Sichtung und Ordnung der „geretteten Güter“ und mit dem Bergungsdienst beschäftigt. Einige sorgten für die Unterrichtung der Luftwaffenhelfer der Klasse 6 (Klasse 10) in Gremberg bei Köln-Kalk, hielten Ergänzungsprüfungen ab oder gaben Förderunterricht für einzelne Schüler oder Gruppen. Während Schüler aus den 4. und 5. Klassen (8. und 9. Klassen) noch zum Volkssturm einberufen wurden, erkundigten sich besorgte Eltern nicht eingesetzter Schüler nach der Möglichkeit von Privatunterricht. Von einer erneuten Kinderlandverschickung in das Sudetenland sahen die Behörden nach der energischen Ablehnung der Eltern ab.

Einigermaßen erleichtert schloss der Schulleiter seine letzte Konferenz am 16. Dezember 1944: „Die Einrichtungsgegenstände im Beethoven-Gymnasium sind nun in verhältnismäßig gut erhaltenen Räumen untergebracht und gesichert. Einige Kisten mit Büchern sind in der Loe- bzw. Wetzlarschule untergebracht und gesichert“. Ein „Schulleben“ des Beethoven-Gymnasiums fand jedoch – für ein ganzes Jahr lang – nicht mehr statt.


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