9.4.4 Bewahrung der Tradition angesichts sich ankündigender Veränderungen gymnasialer Struktur und Methodik

Ein Erlass des Kultusministers im Schuljahr 1958/59 veränderte die innere Struktur des neusprachlichen Gymnasiums, denn Französisch begann fortan erst mit der Obertertia (Klasse 9). Im neusprachlichen Zweig des Beethoven-Gymnasiums stand daher Französisch erst in der 9. Klasse auf dem Stundenplan, während Griechisch weiterhin in Untertertia (Klasse 8) erschien. Ein weiterer Erlass des Kultusministers vom 1. November 1958 über Hausaufgaben und Klassenarbeiten sollte auch die unterrichtliche Methodik verändern: Neben Anzahl, Anforderungen und Bewertung von Klassenarbeiten, Sinn und Umfang von Hausaufgaben und deren Fortfall von Samstag auf Montag enthielt der Erlass die Vorschrift, Klassenarbeiten nur noch in den Fächern zu schreiben, die auch im Abitur schriftlich geprüft wurden. Gleichzeitig sollten die mündlichen Leistungen in diesen Fächern für die Gesamtbeurteilung verstärkt herangezogen werden. Schriftliche Übungen, unter methodischen Gesichtspunkten, waren überall gestattet.

 

Am 30. 4. 1960 kündigte Grenzmann – auf einer Versammlung von fast 400 ehemaligen Schülern – erstmalig den Wunsch der Schule an, „in wenigen Jahren“ das 325. Jubiläum zu feiern; er bezog sich damit – höchstwahrscheinlich – auf die Wiedereröffnung des Minoritengymnasiums 1639 und legte die eigentliche Gründung des Beethoven-Gymnasiums auf dieses Datum fest. Zwar nicht in den damaligen Mauern, aber in der „Tradition der Schule als Institution“ sei ein „gutes Stück Bonner Bildungsgeschichte“ zu erleben; sie verkörpere „deutsche und abendländische Bildungsgeschichte im kleinen Ausschnitt, in der Beharrung dessen, was bleiben muß im Wandel der Geschichte, der Ideen und der Mächte“. Für Grenzmann stand die Schule in der Verpflichtung dieser langen Tradition, die es gebiete, „Leitbilder“ aufzunehmen und „gegenüber Neuerungen zurückhaltend zu sein“. Wenn die allgemeine Aufgabe der Schule für ihn war, eine „grundwissenschaftliche Bildung“ zu vermitteln, so die „spezielle“ des Beethoven-Gymnasiums die „allmähliche, langsame Erschließung der Antike, der Einmaligkeit ihrer Erscheinung in der Geschichte der Menschheit“. Bildung sei nicht zu erreichen „ohne Kenntnis des geschichtlichen Werdegangs, ohne Rückkehr zu den Ursprüngen“, die für die Menschen des Abendlandes in der Antike lägen.

Die Neusprachler seien in diesen Bildungsgang in anderer Weise einbezogen. Bei gleich bleibender Bedeutung der Antike würden sie an die „Geburtsstunde des neuzeitlichen Europa und dessen Geschichte, an die Gemeinsamkeit des europäischen Bewußtseins, an die innere Verflechtung des Deutschen mit dem Französischen und Englischen“ herangeführt. Die klassischen ebenso wie die neueren Sprachen seien nicht „eine Sache des Auftrags, sondern des Herzens“. Bei der feierlichen Abiturfeier verabschiedeten sich denn auch die ehemaligen Schüler mit „wohlgeformten Reden“ in Deutsch, Griechisch, Latein, Französisch und Englisch von ihren Lehrern. Schulleitung und Kollegium zeigten sich bereit, den Geist der Tradition zu pflegen, aber auch gegenüber bildungspolitischen Veränderungen zu verteidigen. Sie hielten fest „an den Grundlagen des Gymnasiums“ in seiner damaligen Gestalt „in der Überzeugung, daß alles Nachgeben und Abgleiten zum Schaden der allgemeinen deutschen Bildung führen würde“.  


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