2. Die Jesuiten übernehmen das Gymnasium

2.1 im Collegium Josephinum

 

Die Motive für einen Wechsel in der Lehrtätigkeit schienen vielfältig zu sein; jedenfalls waren nunmehr nicht der Magistrat und die Bürger, sondern der Kurfürst Maximilian Heinrich von Bayern (1650 – 1688) die treibende Kraft. Er wollte den Minoriten eine stärkere kontemplative Ausrichtung geben und verwies sie auf die bessere Pflege des Chorgebetes und des Gottesdienstes. Nicht nur ihm war der allzu vertraute Umgang der Professoren mit den Schülern und deren Eltern suspekt geworden. Ob das ehemalige Lehrpersonal mit dem Wechsel so ganz einverstanden war, bleibt dahingestellt; jedenfalls wurde nach 1673 das Schulgebäude sofort zu einem Gästehaus für Besucher des Provinzministers umgebaut, damit die Jesuiten darauf nicht zugreifen konnten.

 

Mitten im Niederländischen Krieg (1672 – 1678), – Kurfürst Maximilian kämpfte an der Seite des französischen Königs Ludwigs XIV., dessen Truppen Bonn besetzt hielten, – mussten die Jesuiten zwei Gebäude an der Ecke Gudenaugasse-Wenzelgasse am 4. September 1673 kaufen und für den Schulgebrauch einrichten. Währenddessen erzwangen jedoch kaiserliche Truppen, die Bonn belagerten, am 13. November 1673 die Übergabe der Stadt. Die Jesuiten begannen gleichwohl den Unterricht mit zunächst drei Klassen und 80 Schülern. In den nächsten beiden Jahren konnten sie das Gymnasium auf fünf Klassen vervollständigen. Dafür setzten sie drei oder mehr Ordenspriester ein und etwa fünf noch nicht geweihte Ordensmitglieder und bestritten die Kosten für den Bau und die Unterhaltung des Schulgebäudes.

Als in der Folgezeit die Zahl der Schüler und der Lehrer immer mehr anstieg, veranlasste Maximilian den Umbau des Schulgebäudes (1684 – 1687) in der Bonngasse und legte dort im Anschluss an dieses „Collegium“ 1686 den Grundstein zum Bau der Jesuitenkirche.

 

Während der strittigen Wahl des neuen Kurfürsten zu Beginn des Pfälzischen Krieges (1688 – 1697) hielten wieder starke französische Truppen Bonn besetzt. Dem inzwischen von Kaiser und Papst bestätigten Kurfürsten Joseph Clemens von Bayern (1688 – 1723) kam ein kaiserliches Heer zu Hilfe, das allerdings die Stadt in Schutt und Asche beschießen musste, um die Franzosen zu vertreiben. Von den Besitzungen der Jesuiten und den neuen Schulräumen waren nur noch Trümmer geblieben, so dass den Schülern erneut der Besuch des Dreikönigsgymnasiums als Ersatz sich anbot.

Erst nach der Wiederherstellung des ehemaligen Gymnasialgebäudes an der Ecke Gudenaugasse-Wenzelgasse konnte 1695 der Unterricht in Bonn wie früher aufgenommen werden; zwei Jahre brauchte noch die Vollendung der Jesuitenkirche (1697).

 

Im Spanischen Erbfolgekrieg (1701 – 1714) schlug sich Joseph Clemens auf die Seite Ludwigs XIV., dessen Truppen erneut Bonn besetzt hielten. 1702 verließ der Kurfürst die Stadt, um erst wieder 1715 seinen feierlichen Einzug in die Stadt zu halten. Er unterstützte die Jesuiten großzügig mit finanziellen Mitteln, so dass sie bis 1717 den Erweiterungsbau des Schulgebäudes vollenden konnten. Ihm zu Ehren nannten sie das Gymnasium Collegium Josephinum. Die Schüler konnten allerdings das neue Schulgebäude nicht lange genießen, denn schon 1719 machte ein Brand viele Räume unbrauchbar. Die Lehrer unterrichteten wieder teils im Kollegium, teils in den restlichen unzerstörten Klassenzimmern.

 

2.2 im Collegium Clementinum

Der neue Kurfürst Clemens August (1723 – 1761) ließ 1729/31 dem fünfklassigen Gymnasium noch zwei philosophische Kurse für Logik und Physik anschließen. Doch schon bald genügten die Räume der alten Schule nicht mehr. Man entschloss sich zu einem Neubau in der Bonngasse gegenüber der Jesuitenkirche. Dank reichlicher Geldmittel des Kurfürsten konnte 1736 der „höchst ansehnliche und wahrhaft königliche Sitz der Pallas“ vollendet und ihm zu Ehren Collegium Clementinum genannt werden. Der in drei Flügel geteilte, jesuitisch streng anmutende Bau mit einer geräumigen Aula öffnete sich zur Kirche hin, – durch eine niedrige Mauer von der Bonngasse getrennt. Anfang November 1736 zog die Schuljugend „mit fliegenden Fahnen unter dem Schalle der Musik“ aus dem alten Gebäude in der Wenzel- und Gudenauer Gasse, in dem dann der Großvater Beethovens als erster Mieter eine Wohnung fand, auf Umwegen in das neue Gymnasium. Der Grund- und Kapitalbesitz der Jesuiten war inzwischen durch Spenden und Stiftungen so angewachsen, dass sie die Unterhaltung des Gymnasiums tragen konnten, ohne von den Eltern Schulgeld zu verlangen.

 

Der Aufnahme in das Gymnasium ging der Besuch einer Trivialschule voraus, in der die Schüler lateinisch lesen und schreiben lernten und in die Anfangsgründe der Grammatik eingeführt wurden. Die Einteilung der drei unteren Gymnasialklassen, „classis infima“, „classis secunda“, „classis syntaxis“, folgte dem Grad der Lateinkenntnisse. In den zwei oberen Klassen, „classis poetica“ und „classis rhetorica“, versuchten die Lehrer einen möglichst vollkommenen mündlichen und schriftlichen Gebrauch des Lateinischen zu erreichen.

Das Griechische spielte nur eine untergeordnete Rolle: in den beiden unteren Klassen je eine Viertelstunde täglich, in den mittleren Klassen eine halbe Stunde und erst in der „classis rhetorica“ eine ganze Stunde. Das Deutsche hatte vornehmlich die Funktion, Übersetzungstexte ins Lateinische bzw. Griechische zu liefern. Ab der „classis poetica“ durften die Schüler in Anwesenheit eines Lehrers nicht die deutsche Sprache gebrauchen; diese war nur, wenn es unvermeidlich war, im Sachunterricht erlaubt.

Der Unterricht in Mathematik beschränkte sich auf die Arithmetik und die Algebra bis zu den Gleichungen zweiten Grades. In Geschichte wurden die biblische Geschichte, das Altertum und die ersten Jahrhunderte der Kirchengeschichte behandelt. In Erdkunde vermittelten die Lehrer nur sehr allgemeine Kenntnisse aus der Globuslehre. Religionslehre wurde sonntags von 11-12 Uhr nach der Messe in der Kirche erteilt. Der Donnerstag war zwar frei, doch der Vormittag diente als Silentium. Nachmittags gingen die Schüler mit den Lehrern zum öffentlichen Spielplatz im Festungsgraben (Nähe Alexanderstraße).

Die Schüler wurden von jungen Jesuiten unterrichtet, die den zweijährigen philosophischen Kursus und ihr zweijähriges Noviziat beendet hatten. Sie stiegen jeweils mit der Klasse alle fünf Stufen auf und gaben sie dann an den Lehrer der Logik ab. Für jede Klasse verfügte der Schüler über ein Schulbuch mit dem Unterrichtsstoff des betreffenden Jahres. Nach dem morgendlichen Unterricht von 7 bis 9 Uhr gingen die Schüler in den Gottesdienst und anschließend von 10 bis 11 Uhr in das „Silentium“ im Gymnasium, um unter Leitung von Studierenden der Philosophie nach- und vorzubereiten und schriftliche Arbeiten anzufertigen. Im Anschluss an den Nachmittagsunterricht von 1 bis 3 Uhr war wieder ein Silentium vorgesehen, und zwar von 4 bis 7 Uhr. Schriftliche Versetzungsarbeiten und öffentliche Prüfungen schlossen das Schuljahr ab. Die Schüler sahen dann in der Aula ein meist von dem Lehrer der Rhetorik verfasstes Drama und empfingen die Preise für gute Ergebnisse.


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