11.11 Das vielfältige Musikleben trotz Lehrermangels

Nach 1976 hatte sich am Beethoven-Gymnasium ein Musikleben entwickelt, zu dessen Höhepunkt das alljährliche, von der Presse hoch gelobte Chorkonzert zählte (in der Aula, in der Kreuzkirche, im Bonner Münster, auf dem Marktplatz). Seit Beginn der 80er Jahre konnte der Chorleiter für die Solopartien und Orchesterbegleitung Berufsmusiker gewinnen. Für die immer kostspieligeren Auftritte durfte er mit der Unterstützung der „Gesellschaft der Freunde und Förderer“ rechnen, die außerdem die Anschaffung von Instrumenten, Partituren, Chorstimmen usw. ermöglichte.

Beim Schülerkonzert wiederum wollten alle, die ein Instrument beherrschten, mit einem kurzen Stück ihrer Wahl ein breiteres Publikum begeistern, so dass sich über 150 Schülerinnen und Schüler jedes Jahr am Musikleben des Beethoven-Gymnasiums beteiligten.

Der neue Schulleiter konnte schon im September 1985 in den Genuss eines Chorkonzertes in der Aula kommen: 110 Schülerinnen und Schüler sangen – auswendig – Haydns „Jahreszeiten“ (in einer leicht gekürzten Fassung), unterstützt von 20 Mitgliedern des Kollegiums, 40 Orchestermusikern und drei Gesangssolisten. Im „Europäischen Jahr der Musik“ begeisterte die Wiederholungsaufführung die vielen Zuhörer auf dem Marktplatz im Rahmen des Bonner Sommers. Im Mai 1986 sang der Schüler-Lehrerchor in der überfüllten Kreuzkirche zu Max Regers 70. Todestag. Genau ein Jahr später entfachten in der bis auf den letzten Platz besetzten Kreuzkirche der Schulchor, Mitglieder des Orchesters der Beethovenhalle, Johannes Geffert an der Orgel, Solisten der Kölner Oper und die Mittelstufenschülerin Judith Decker mit dem „Requiem“ von Andrew Lloyd Webber „ausgedehnte Beifallsstürme“.

 

Mit dem neuen Schuljahr 1987/88 begann der Chor schon wieder mit der Einstudierung eines sehr ehrgeizigen Projektes, Arthur Honeggers „König David“, eines „symphonischen Psalms“ für Soli, Chor und Orchester. Nach einer längeren Probephase als sonst lobte der General Anzeiger das „professionelle Niveau“ der auswendig singenden Schülerinnen und Schüler, die das Werk in der Kreuzkirche zusammen mit fünf Solisten aus Köln, Berlin und Freiburg, Mitgliedern des Orchesters der Beethovenhalle und Josef Geffert an der Orgel am 10. Mai 1988 aufführten.

Mit der St. Edward’s School, der Austauschschule in der Bonner Partnerstadt Oxford, entwickelte sich in diesem Schuljahr ein musikalischer Austausch, als sich – trotz der „Strapazen“ für „König David“ – ca. 40 Mitglieder zu einem Kammerchor formierten, als Austauschgäste nach Oxford reisten und dort mit dem Chor und Orchester von St. Edward ein gemeinsames Konzert gaben. Am 2. Juli 1988, beim Gegenbesuch in Bonn, konnte der Schulleiter zahlreiche Gäste begrüßen in der Namen Jesu Kirche (selbst die Beichtstühle und Altarstufen waren „ausverkauft“), in der vor „mitgehendem Publikum“ das Konzert wiederholt wurde. Für das nächste Jahr war wieder ein solcher Austausch geplant, doch zeichneten sich schon im Vorfeld organisatorische und terminliche Probleme von englischer Seite ab.

 

Dieses aufwendige und kostenträchtige Musikleben musste das Beethoven-Gymnasium seit über 10 Jahren mit einem einzigen hauptamtlichen Musiklehrer leisten, der die Schule mit einem professionellen Chor bereicherte, – allerdings auf Kosten einer drastischen Kürzung des Musikunterrichts in der Mittelstufe und unter Verzicht auf einen Grundkurs Musik in der Stufe 13 und dementsprechend auf das Abiturfach. Ein Teil des Stundendeputats des Kollegen wurde nämlich für den Chor vorgehalten (von seinen Überstunden ganz zu schweigen), der über die Woche verteilt an Eckstunden und samstags in der 1. Stunde probte. Eine gewisse Entspannung brachte die Versetzung einer Musiklehrerin (jedoch nur mit halber Stundenzahl) seit dem Schuljahr 1987/88, so dass nunmehr wenigstens ein bis zur Stufe 13 durchgehender GK Musik (auch als Abiturfach) angeboten und ein Unterstufenchor in der Erprobungsstufe gegründet werden konnte. Der Schulleiter ließ am anderen Ende des Gebäudes, im früheren Arkadenhof und an der Stelle des einstigen Weinbergschlösschens, einen zweiten Musikraum einrichten, den die „Gesellschaft der Freunde und Förderer“ aus Beiträgen und Spenden mit einem neuen Klavier beschenkte.

Den Unterricht in der Erprobungsstufe deckten zur Begeisterung der Teilnehmer zwei Kollegen fachfremd sehr professionell ab. Einer von ihnen gründete im gleichen Schuljahr die „BG-Jazz-Connection“, eine Arbeitsgemeinschaft für alle Jazz- und Band-Spielbegeisterten und begann das „Orchester der Aula des Beethoven-Gymnasiums aufzubauen, das zwar etwas klein war, aber nichtsdestotrotz viel beachtete Konzerte geben konnte. Das Problem eines hinreichenden Orchesternachwuchses ergab sich aus der Teilnahme vieler Schülerinnen und Schüler an Kursen der Musikschule und am Jugendsinfonieorchester (Teil des zentralen Leistungskurses Musik); allein aus Solidarität traten nur einige wenige dem erst im Aufbau begriffenen Schulorchester bei. Belohnt wurden die Chor- und Orchesterteilnahme mit der Anrechnung auf die musischen Pflichtkurse in Stufe 12/13, deren notwendiger richtlinienkonformer Theorieanteil sich jedoch sehr in Grenzen hielt.

 

Seit September 1988 liefen die Vorbereitungen für die Aufführung von Haydns „Schöpfung“ (5. September 1989) im Jubiläumsjahr „Bonn 2000“; eingeladen waren alle Kollegen und Kolleginnen, der Unterstufenchor (Klassen 5/6) und der Kammerchor (7-12), die sich mit dem großen Chor verschmelzen sollten. Die Probentage vor dem Konzert sprengten alle bisherigen Einschränkungen des Schulbetriebes, gipfelten allerdings in der schon geschilderten hoch gelobten Aufführung im Rahmen der Bonner Feierlichkeiten. Nach der „Schöpfung“ – die Erschöpfung und eine Phase der kritischen Distanz zu dem Konzept der Chorkonzerte, das den schulischen Alltagsbetrieb zu sehr in Anspruch nahm.

 

Die „Chorwoche“, wie die Probentage (mal den ganzen Vormittag, mal einige Stunden) euphemistisch genannt wurden, verlangte von allen betroffenen Kollegen: kein Weitergehen in der Stoffvermittlung mit Rücksicht auf die vielen Chormitglieder! Angesichts der vielen anderen außerunterrichtlichen Aktivitäten wuchs die „Chorwoche“ zu einer zunehmenden zeitweisen Belastung des Unterrichts und zur Beeinträchtigung weiterer Projekte, während der Chorleiter den Fokus allein auf seine Konzeption eines Chorbetriebes richtete, die die bisherigen Erfolge sichern sollte. „Bauchschmerzen“ verursachten Eltern und vor allem der „Gesellschaft der Freunde und Förderer“ die erheblichen Defizite der letzten Konzerte (wegen der Teilnahme professioneller Musiker und Sänger), – trotz steigender Eintrittspreise. Nur eine großzügige Spendenaktion aus der Elternschaft und ein namhafter Zuschuss des Fördervereins konnten hier ausgleichen. Als Benefizveranstaltung (9. Dezember 1987) zugunsten der „Gesellschaft der Freunde und Förderer“ hatte schon die Uraufführung eines Schülervaters, Walter J. Divossen, „Der Lord und das kleine Schloßgespenst“ (nach einer Gespenstergeschichte mit Musik für Sprecher und Bläserquintett) eine namhafte Summe für die Spendenkasse eingespielt. Bald kam es aber zu Differenzen zwischen Divossen und dem Chorleiter sowie zwischen diesem, der ebenfalls auf die Schüler der Klassen 6 für seinen Chor zurückgreifen wollte, und der Fachkollegin, die für ihren Unterstufenchor die Mitwirkung der Klassen 7 beanspruchte.

 

Im Kollegium und bei Eltern kam schließlich die Frage auf, ob man nicht Chorkonzerte auch mit vornehmlich schulischen Mitteln und Kräften bestreiten könnte und ob die Reduzierung auf schülermäßige Aktivitäten und Leistungen dem Bildungsauftrag der Schule nicht gerechter würde. Der mehrheitliche Wunsch des Kollegiums nach weniger Chorproben während der Unterrichtszeit führte zur Niederlegung der Chorarbeit, was nun Elternschaft und vor allem viele Schülerinnen und Schüler – solidarisierend – auf die „Barrikaden“ und zu einer Protestversammlung in die Aula trieb, wo der Schulleiter mit größter Mühe die ca. 500 aufgebrachten lautstarken Chor-Begeisterten mit einem unmittelbar vorher – unter noch größeren Anstrengungen – dem Chorleiter abgerungenen Kompromiss beruhigen konnte. Am Rande der Legalität bewegte sich der Schulleiter mit der Hilfskonstruktion, die Teilnahme am Chor oder Orchester (ohne die von den Richtlinien geforderten ausreichenden Theorieanteile) als musische Pflichtbelegung in Stufe 12/13 anzurechnen.

Doch nach einem „Hinweis“(!!) an den Schuldezernenten ließ dieser umgehend die Kursmappen auf Einhaltung der Richtlinien für den dreistündigen musischen Pflichtkurs überprüfen und verbot (unter Berufung auf die Vorschriften) dem fachfremd unterrichtenden Kollegen, der jahrelang mit Erfolg das Orchester leitete, einen solchen Kurs abzuhalten, so dass dessen Teilnehmerzahl mangels rechtlicher Anerkennung überschaubar blieb. Noch folgenschwerer sollte sich eine Beschwerde aus dem Elternkreis über den Ausfall des Musikunterrichts in der Mittelstufe sein. Nach einer behördlichen Überprüfung wurde der Schulleiter angewiesen, bei der Unterrichtsverteilung erst die gesamten Pflichtstunden in Musik abzudecken, ehe ein Teil des Deputats für die Chorarbeit abgezweigt würde, die sich aber unter diesen Umständen in der alten Form nicht mehr verwirklichen ließ. Gänzlich entnervt hatte den Chorleiter das lange Gezerre um den zweiten freien Samstag, dessen Einführung für das Schuljahr 1990/91 eine Chorarbeit am Vormittag unmöglich machte. Er ließ sich „verstimmt“ versetzen, der große Chor blieb „stimmlos“.

 

Die verbliebene Fachkollegin versuchte mit ihrem bescheidenen Stundendeputat hauptsächlich aus der Unter- und Mittelstufe einen „Rumpf“chor aufrecht zu erhalten, so dass schließlich am 3. und 10. Februar 1992 45 Schülerinnen und Schülern mit der Aufführung von Teilen des Singspiels „Die Entführung aus dem Serail“ ihren verdienten Erfolg bekamen. Es zeigte sich, wie schwierig ein größerer Chor aufzubauen und zu halten war unter den behördlichen Bedingungen von zwei Stunden pro Woche (nach der 6. Stunde). Die Kollegin kam daher zu der Überzeugung, auf die unlängst (auch von ihr) kritisierte zu starke professionelle Unterstützung durch Musiker und Sänger zurückgreifen zu müssen, wenn sie die „Carmina Burana“ von Orff in der originalen Fassung für Soli, gemischten Chor und Kinderchor, zwei Klaviere und Schlagwerke aufführen wollte. Durch die großzügige Hilfe der „Gesellschaft der Freunde und Förderer“ und Zuschüsse der Stadt konnten die drei Gesangssolisten, die zwei Pianisten (darunter ein Ehemaliger) und die fünf Schlagzeuger gewonnen werden.

Zwei Chorfreizeiten in Ahrweiler und Vallendar (von den Eltern bereitwillig unterstützt) und viele Sonderproben seit Anfang März (109 Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen, ergänzt durch Ehemalige, Eltern, Freunde und Mitglieder des Kollegiums) gipfelten am 25. Juni 1993 in einem „berauschenden musikalischen Fest“, das auch durch die Bühnendekoration seine besondere Prägung erhielt. Aber ein solcher Kraftaufwand neben den zunehmenden anderen außerunterrichtlichen Aktivitäten ließ sich so schnell nicht wiederholen. Es kam zwar noch einmal am 22. Januar 1995 zu einem Chorkonzert in der Beueler St. Josef Kirche, dann ließ sich die Kollegin auf eigenen Wunsch versetzen. Inzwischen konnte im Schuljahr 1994/95 eine Fachkollegin (allerdings nur mit halber Stundenzahl) gewonnen werden, die den Unterstufenchor zu einer erfreulichen Institution entwickelte.

 

Der Leiter des von ihm 1979 ins Leben gerufenen Schülerorchesters, das, seit 1982 „Orchester der Aula des Beethoven-Gymnasiums“ genannt, auch außerhalb der Schule auftrat, präsentierte von März 1991 an unter dem Namen „Schüler-Lehrer-Konzert“ eine neue Art musikalischer Veranstaltung mit ausschließlich hauseigenen Kräften. Alljährlich spielten 20 – 25 Schülerinnen und Schüler, von Anfängern bis zu den zahlreichen Preisträgern bei „Jugend musiziert“, ein kurzes Stück ihrer Wahl (von Klassik bis Jazz und Musical). Gelegentlich trat auch eine Schüler-Band mit der gehörigen Lautstärke auf; talentierte Schülerinnen erfreuten das dankbar klatschende Publikum mit Gesangseinlagen. Hier wirkte sich wohltuend der Instrumental- und Gesangsunterricht aus, den der Kollege von Fachkräften einer Musikschule nachmittags anbieten ließ. Sein eigenes Orchester umrahmte die Darbietungen, die seit 1994 mit dem Auftritt eines Kollegiumschores (manchmal als Damen-, manchmal als Herren-, manchmal als gemischtes Ensemble) in parodistischen Arrangements unter dem tosenden Beifall der Aulabesucher ihren Höhepunkt fanden.

 

Am Ende des Jahrtausends erhielt der Schulleiter ein „Geschenk“ von der Landesregierung, auf das er 15 Jahre sehnlichst gewartet hatte: Nach der Einführung des „schulscharfen Lehrereinstellungsverfahrens“ konnten die Schulen erstmalig selbst – in einem streng einzuhaltenden formalen und rechtlichen Rahmen – Stellenausschreibungen und Bewerberauswahl vornehmen. Angesichts einer seit langem nur mit 12 Stunden unterrichtenden Musiklehrerin (für 855 Schülerinnen und Schüler) stellte die Behörde für das Beethoven-Gymnasium einen starken „Unterhang“ (!) in Musik fest und teilte der Schule eine Planstelle zur eigenen Besetzung zu.

Eine fünfköpfige Kommission aus dem Schulleiter und Vertretern des Kollegiums und der Elternschaft sowie einem Mitglied des Personalrates durfte im Januar 1999 aus der Kandidatenriege auswählen und am Ende des Jahres konnte der Schulleiter der Kollegin die Urkunde der Verbeamtung auf Lebenszeit überreichen. Sie hatte inzwischen begonnen, einen Chor aus den Klassen 7 bis 12 aufzubauen (mit schulischen Mitteln und im schulischen Rahmen) und gab schon im Juni 2000 zusammen mit der Kollegin und dem Unterstufenchor das erste Konzert.

Seit dem Schuljahr 2001/2002 verfestigte sich der musikalische Teil des Schulprogramms. Die beiden Chöre probten jeweils zwei Stunden pro Woche und gestalteten am Ende des Schuljahres ein gemeinsames oder sogar ein getrenntes Chorkonzert (2003 eine Musical – Woche). Zwischendurch erfreuten sie die Schulgemeinde bei verschiedenen schulischen Veranstaltungen (Taizé- und Wiesengottesdiensten, Weihnachtssingen, usw.). Zur intensiven Vorbereitung auf die Konzerte fahren seither beide Chöre und Mitglieder des Schulorchesters für einige Tage im Frühjahr in die Jugendherberge Freusburg, um hier – großzügig gefördert von der „Gesellschaft der Freunde und Förderer“ – „in der beschaulichen Atmosphäre einer mittelalterlichen Burg und der Ruhe der Natur“ den ganzen Tag über konzentriert zu proben.

11.12 „Tanz“ und Bewegung