11.14 Partnerschaften

– Usbekistan: Ein Hauch von „1001-Nacht

Der Austausch mit einer Partnerschule in Thessaloniki im März 1994 – gewissermaßen als Alternative zu einer zu teuren Studienfahrt – blieb jedoch ein Unikat. Dagegen bescherte dem Beethoven-Gymnasium die Begegnung mit Usbekistan ein Hauch von „1001 Nacht“. Einer Kollegin war durch Kontakte mit der Familie des ersten usbekischen Botschafters ein Besuch ermöglicht worden, der dazu anregte, jungen usbekischen Studenten der ersten Generation nach der Unabhängigkeitserklärung die Kenntnisse demokratischer Lebensformen vor Ort zu ermöglichen. Im Dezember 1996 fanden sie eine freundliche Aufnahme bei ihren Bonner Gasteltern und in der Schule. Ein Gegenbesuch im März 1997 in Taschkent, Buchara und Samarkand entwickelte sich zu einer abenteuerlichen und unvergesslichen west-östlichen Begegnung.

Im Januar 2000 wurden 26 Gäste zum vierten Austausch mit Usbekistan mit einem umfangreichen Besichtigungsprogramm empfangen. Sie bedankten sich in der Aula mit einer mitreißenden Vorführung usbekischer Tänze und beschenkten den staunenden Schulleiter mit einem traditionellen Mantel und entsprechender Kopfbedeckung (beides kam allerdings nur im Direktorzimmer vor entsprechendem Publikum zum Tragen). Im April 2001 brach dann eine 24köpfige Gruppe (Eltern, Schülerinnen und Schüler der Stufe 6 bis 12 dreier Gymnasien, zwei Lehrkräfte) nach Taschkent, Chiva, Buchara und Samarkand auf, um orientalischen Flair zu genießen. Mit der Pensionierung der Initiatorin und der Änderung der politischen Verhältnisse endete die ungewöhnliche Begegnung auf dem west-östlichen Diwan.

Polen: Ein notwendiges Äquivalent zur „Westorientierung“

Dass die Westorientierung des Nachkriegsdeutschlands sich auch in der sprachlichen und partnerschaftlichen Ausrichtung des Beethoven-Gymnasiums widerspiegelt, mochte bis in die späten 80er Jahre niemand verwundern. Dabei hatte Köttings Vorgänger Dr. Seidler schon sehr früh die Aussöhnung mit Polen zu seinem ureigensten Anliegen gemacht und die – sehr unpopuläre – Anerkennung der Folgen des Krieges (polnische Westgrenze) auch als Sprecher des Bensberger Kreises vertreten. In den 70er Jahren unterstützte er katholische Intellektuelle in Warschau und Krakau und begleitete wohlwollend die Solidarnosc-Bewegung. (Am 7. Mai 2003 bekam er einen hohen polnischen Verdienstorden für seine Bemühungen um eine Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen.)

Sein Nachfolger war ebenso von der Notwendigkeit überzeugt, ein Äquivalent zur deutsch-französischen Aussöhnung in den Beziehungen zu Polen zu schaffen und förderte von Anfang an Bestrebungen von Kollegen, eine deutsch-polnische Partnerschaft über den Weg persönlicher Beziehungen zu schaffen. Mit Seidler im Hintergrund wurde der Geschäftsführer der GFF zum Motor einer neuen Tradition, Studienfahrten nach Warschau, Breslau, Krakau und vor allem Auschwitz anzubieten.

Im Oktober 1988 brach die erste Gruppe aus der Stufe 13 nach Polen auf, um in Pobiedziska, auf halben Wege zwischen Posen und Gnesen, von allen Schülerinnen und Lehrerinnen des Sacré-Coeur-Lyzeums als „erste Jugenddelegation aus Deutschland nach Weltkriegsende“ in herzlicher, unvergesslicher Weise empfangen zu werden. Seither lud die Schule die nachfolgenden Polenfahrer von ihrer Unterkunft in Posen aus als Tagesgäste ein. Langfristig suchte das Lyzeum natürlich – von Internat zu Internat – eine ähnlich gelagerte Schule als Partnerin. Unvergesslich sind allen Beteiligten die Feierlichkeiten am 3. Oktober 1990 (dem Datum der deutschen Wiedervereinigung), die das Lyzeum den deutschen Gästen in der Aula, bei Tisch, auf dem Sportplatz und in der Kapelle darboten.

Während der zweiten Studienfahrt im Herbst 1989 stand der Besuch des Adam-Michiewicz-Lyceums in Krakau auf dem Programm, wo man die Bonn-Fahrt einer Deutschklasse (ungefähr Stufe 11) für Mai 1990 vereinbarte. Die Klasse 9c nahm die Gäste auf, denen Seidler persönlich die Sehenswürdigkeiten Bonns zeigte. Den Höhepunkt des umfangreichen Besichtigungsprogramms bildete der Empfang im Rathaus und beim Bundespräsidenten. Der Gegenbesuch im Herbst 1990 der (nunmehr) 10c führte über Krakau hinaus sogar bis in die Hohe Tatra. Im Mai 1991 fanden sogar 48 Schülerinnen und Schüler und drei Lehrer aus Krakau eine bereitwillige Unterkunft bei Gasteltern, im September nahmen dann zwei Mittelstufenklassen der Gegeneinladung wahr.

Dicht darauf folgten ihnen die Teilnehmer des Deutsch- und Geschichtsleistungskurses der Stufe 13 zur mittlerweile vierten Studienfahrt nach Polen, die bis heute zum Schulprogramm des Beethoven-Gymnasiums gehört: Warschau, Posen, Krakau (hier auch auf den Spuren wiedererstehender jüdischer Kultur), Lubowitz, der Besuch der beiden Partnerschulen und vor allem das Beklemmendste und Unfassbarste, Auschwitz und Ausschwitz-Birkenau, von dem die Teilnehmer immer wieder eine unauslöschbare Erfahrung mitbringen. Auf dem Hinweg ein Halt in Weimar als Reverenz gegenüber Goethe und Schiller und unterwegs die unerlässliche Reminiszenz an Eichendorff sind „Nebenschauplätze“ dieser bei der Stufe 13 sehr beliebten Fahrt.

– „Colegio Ludwig van Beethoven“ in Arequipa (Peru): Entwicklungshilfe einmal anders” durch die SV

Eine von der deutschen Geschichte völlig unabhängige Partnerschaft zwischen zwei Schulen unterschiedlichster Prägung entwickelte sich um die Mitte der 80er Jahre. Im Dezember 1983 beschloss der Schülerrat auf Antrag der damaligen SV, den Erlös des Weihnachtsbasars als Grundstock für ein noch zu schaffendes Entwicklungsprojekt zu verwenden. Man wollte nicht nur finanzielle Hilfe leisten, sondern auch die Auseinandersetzung mit den kulturellen Gegebenheiten und politischen Problemen eines Landes suchen. Den richtigen Ansprechpartner fand die SV in Pater José Schmidtpeter, den Leiter einer Missionsstation der Comboni-Missionare in Arequipa/Peru, der vorschlug, ein Projekt unter dem Motto „Schule hilft Schule“ mit einer Schule seiner Gemeinde zu beginnen. Arequipa (2400 m hoch), mit mehr als eine Million Einwohnern zweitgrößte Stadt Perus, einerseits „Perle des spanischen Barocks“, war aber auch Zufluchtsort der andinischen Landbevölkerung, mit einem 65prozentigen Anteil an Barriada-Bevölkerung, die jährlich um ca. 5 % wuchs. In den Vorstädten gab es kaum feste Straßen, keine elektrische Versorgung und keine Wasserleitungen. In dem Armenviertel „Independencia“ mit ca. 15.000 Einwohnern musste eine allgemein bildende Elementarschule über 1700 sechs- bis sechzehnjährige Schülerinnen und Schüler vom ersten bis zum 10. Schuljahr in 13 Klassenräumen (Schichtunterricht) aufnehmen. Die Versorgung mit Unterrichtsmaterial war kaum gesichert, es fehlte an Möbeln, Heften, Schreibmaterial, Büchern und Tafeln.

Die SV nahm die Herausforderung an, gründete eine „Peru-Arbeitsgemeinschaft“ und stellte die Projekttage im Juni 1984 ganz unter das Rahmenthema „Entwicklungshilfe einmal anders“. Das umfangreiche Informationsmaterial und eine fleißige Sammelaktion brachten soviel Spenden ein, dass davon zwei weitere Unterrichtsräume in Arequipa gebaut werden konnten. Im Winter 1984/85 organisierte die ermutigte SV mehrere Hilfs- und Spendenaktionen und schickte im April 1985 mit Unterstützung des peruanischen Botschafters die von ihr gesammelten 900 Hefte nach Arequipa. Im Juni 1985 konnte dann Pater J. Schmidtpeter bei seinem Europabesuch in der Schule viele Fragen beantworten, Rückmeldungen über die gezielte und hilfreiche Verwendung der Gelder geben und einen weiteren Scheck aus den restlichen Einnahmen des Weihnachtsbasars mitnehmen. Dabei äußerte er den Wunsch der Schule ohne Namen mit der Verwaltungsnummer „40029“, sich künftig „Colegio Ludwig van Beethoven“ nennen zu dürfen.

Während des Schuljahrs 1985/86 startete die „Peru-AG“ mehrere Aktionen, um das Interesse und die Spendenbereitschaft der Eltern- und Schülerschaft wach zu halten. Der Tag des Beethoven-Gymnasiums im September stand unter diesem Aspekt; der damalige Kulturattaché Pinto zeigte sich beeindruckt von der Ausstellung zum Thema „Schule in Peru“. Eine Englisch-Sexta begann eine Klassenpartnerschaft und berichtete in Bildern ihren Partnern in Peru über ihre Aktionen (Peru-Ralley, Kilometergeld einwandern, usw.). Am 5. Oktober 1985, dem Beginn der administrativen Partnerschaft, gab der Erziehungsminister der Schule den Namen „Colegio Ludwig van Beethoven“ und machte damit das Beethoven-Gymnasium zum Paten. An einem fröhlichen Adventsabend, das Ereignis gewissermaßen nachholend, übergab Kötting in der Aula dem peruanischen Botschafter – stellvertretend für den Schulleiter in Arequipa – eine Kopie der Totenmaske Beethovens. Ein Lichtbildvortrag des Kulturattachés vermittelte weitere Informationen über das Land und die Stadt und eine Gruppe peruanischer Botschaftsangehöriger sangen und tanzten Hirten- und Weihnachtslieder ihrer Heimat. Ludwig van Beethoven gilt seither als wichtiges Symbol der dortigen Schülerinnen und Schüler; „Ich bin ein Beethovianer … aus Leidenschaft“ ziert die Außenmauer des Schulgebäudes; das Konterfei Beethovens ist auf allen wichtigen Schulunterlagen zu sehen.

Im April 1986 gestaltete die „Peru-AG“ eine große Ausstellung, auf der die damaligen sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes den Zuschauern nahe gebracht wurden und die die Spendenfreudigkeit der Elternschaft weiter erhöhte. Zur großen Freude und Ermutigung der Englisch-Sexta kamen auch die Antworten auf ihre Partnerschaftsbriefe an: 80 Bilder gemalt (auch eine Form der Überwindung von Sprachbarrieren) von den verschiedenen Klassenstufen des auf seinen neuen Namen stolzen „Colegio Ludwig van Beethoven“. Während des ganzen Schuljahres 1985/86 kam dank der konzertierten Aktion des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, der Eltern- und der Schülerschaft ein beachtlicher Beitrag für weitere Investitionen zusammen. Selbst am Schluss veranstaltete die Abiturientia 1986 am Abend ihrer Entlassung ein Benefizkonzert und spendete einen Teil der Kollekte ihres Abiturientengottesdienstes. Die wachsende Solidarität der ganzen Schulgemeinde bedeutete eine große Ermutigung für die Eltern- und Schülerschaft des „Colegio Ludwig van Beethoven“.

Immer, wenn in Arequipa Spenden abrufbar waren, aktivierte der dortige Schulleiter Lehrer, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler, um Bau- und Einrichtungsmaßnahmen durchzuführen, so dass die Löhne entfielen und das Geld nur für die Sachkosten verwandt wurden. Nach dem Unterricht und am Wochenende kamen dann alle zur Arbeit zusammen, während die Mütter in der Schulkantine das Essen für alle Helferinnen und Helfer zubereiteten. So konnten auch die Spenden nicht als Almosen begriffen werden, sondern als Teil der selbst erreichten Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse. Die Bank, auf die die Überweisungen aus Bonn gingen, zahlte nur Geld aus, wenn Eigenleistung durch Arbeit erbracht wurde: keine Geschenke, sondern Hilfe zur Selbsthilfe. Da aus dem Spendentopf auch genügend für die tägliche warme Schulspeisung übrig blieb, konnte sich der Schulleiter über einen mittlerweile regelmäßigen Schulbesuch freuen.

 

Bis 1990 kamen somit weitere Klassenräume hinzu, der Schulhof erhielt eine Pflasterung und eine Wasserleitung führte schließlich bis zum Schulgebäude. Bis Mitte der 90er Jahre entstand um die Schule herum ein richtiges Zentrum mit Kirche, Sozial- und Krankenstation und Gemeindehaus der Stadtverwaltung. Der Präsident Perus besuchte mehrmals die Schule und finanzierte schließlich 1995 einen zweistöckigen Bau für die Sekundarschule. Mittlerweile bot die Schule auch eine Abendschule und Kindergartenplätze an und eröffnete Berufsfelder mit praktischen Lehrgängen für die älteren Schülerinnen und Schüler.

Doch bei aller Weiterentwicklung der Schule konnte sie nicht ohne finanzielle Unterstützung von Seiten des Beethoven-Gymnasiums auskommen, da sie sich auf staatliche Hilfe nicht verlassen durfte. Gerade die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse und die Anpassung an modernere Unterrichtsmaterialien (Computer, Musikinstrumente, Sportausrüstung, Laborgeräte, Nähmaschinen, usw.) erfolgten fast ausschließlich aus Spenden der Partnerschule. Dass diese niemals versiegten und das Interesse nicht erlahmte, das hatte sich die „Peru-AG“ zusammen mit der SV zur ständigen Aufgabe gemacht. Trotz der schweren politischen und wirtschaftlichen Krisen Perus und des zu den ärmsten Stadteilen Arequipas zählenden Umfelds der Schule mit hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität gab die Beständigkeit der helfenden Partnerschaft aus Bonn auch über die Jahrtausendwende hinweg Eltern- und Schülerschaft eine hoffnungsvolle Perspektive.

11.15 Schulfahrten: Das ausgedehnte Fahrtenprogramm sprengt auf die Dauer den Zeit- und Kostenrahmen