11.17.4 Sprachliches „Enrichment“: Reaktion auf den Englischunterricht in den Grundschulen

Um das Schulprofil noch weiter zu schärfen, schlug der Schulleiter eine Erweiterung des Fremdsprachenprogramms in der Erprobungs- und Mittelstufe vor (sprachliches „enrichment“). Er hielt es für möglich und zweckdienlich, die dritte Fremdsprache – allein im Hinblick auf eine sich abzeichnende Schulzeitverkürzung – schon jetzt in Klasse 8 beginnen zu lassen (Erleichterung des Springens, Erweiterung der Sprachkompetenz), jedoch ohne Versetzungsrelevanz, um nicht die bestehende Versetzungsordnung zu unterlaufen.

Darüber hinaus erachtete er es als eine dringende Notwendigkeit, auf die Tatsache zu reagieren, dass die Grundschüler demnächst mit Englischkenntnissen überwechselten (spätestens ab 2003/2004 im dritten Grundschuljahr für alle verpflichtend, wobei einige Grundschulen dies schon praktizierten) und diese Sprache natürlich weiter nehmen wollten. Ein Lateinbeginn in der Klasse 5 würde auf Dauer nur akzeptiert, wenn gleichzeitig Englisch in irgendeiner Form fortgesetzt werden und darauf der reguläre Englischunterricht ab Klasse 7 aufbauen könnte. Eine Konzeptionsgruppe „Latein plus“ prüfte, ob das Modell, „Lateinbeginner mit Grundkenntnissen in der englischen Sprache in Klasse 5 nur mittels mündlicher englischer Übungen zu fördern, dienlicher sei als der Vorschlag, die englische Schriftsprache und Sprachstruktur-Vorstudien zusätzlich einzubeziehen“. Jedenfalls herrschte Einigkeit darüber, dass bis zum Beginn der Klasse 7 grammatische Strukturen beherrscht werden müssten. In den zwei Jahren „Latin plus“ sollten die Schülerinnen und Schüler lernen, „wie anders eine gesprochene Sprache gegenüber einer Schriftsprache funktioniert“.

Im zweiten Halbjahr 2001/2002 wurde dieser zweistündige Zusatzkurs erstmalig getestet, wobei die unterschiedlichsten Vorkenntnisse sich fast bei jedem einzelnen Teilnehmer offenbarten, und die Fachlehrerin nahezu beim Punkte „Null“ beginnen musste. Ab dem Schuljahr 2002/2003 stand dann regulär für die Lateinklassen 5 neben Latein auch „Latein plus“ auf dem Stundenplan.

 

Darüber hinaus drängte der Schulleiter – schon aus Gründen der Gleichbehandlung – auf eine Kompensation für die Englischbeginner. Da die Lateinschüler früher als im heutigen Deutsch- oder Englischunterricht schneller und intensiver „Grammatik lernen, Strukturen erkennen, ungewohnte semantische Differenzierungen vornehmen“ mussten (Fähigkeiten, die später in allen Bereichen und Zusammenhängen notwendig waren), kam die Idee auf, den Englischanfängern ein „ergänzendes zweistündiges Sprachangebot“ zu geben, „das den Kindern behutsam und einsehbar den Reiz, Anspruch und Nutzen formaler Sprachbetrachtung vor Augen“ führte.

Eine Arbeitsgruppe „Sprachwerkstatt“ entwickelte Ideen, wie in der Klasse 5 Deutsch und Mathematik „fördernde Zubringerdienste“ leisten könnten. „Konzentration“ und „Exaktheit“ würde auch der Deutschunterricht vermitteln: z. B. durch „Konzentrationsübungen, Wörterbucharbeit und Hinführung zum Verstehen von Wörterbucheintragungen, Wortbildung, Anlegen von Wortfeldern, Lernen von Fachbegriffen, spielerisches Gliedern von Sätzen mittels Kärtchen und Würfeln, Förderung von Textverständnis durch Vereinfachen, Verändern, Umformen von Kinderbuchtexten, usw.“ Im Mathematikunterricht sah man eine Möglichkeit, den formalen Aspekt zu vermitteln: z. B. „durch Handlungsanleitungen“ die Mathematik aus der „Sprachlosigkeit“ herausführen, den in der Mathematik verwandten Wörtern „auf den Grund“ gehen, Rechenarten und -wege genau formulieren, Spiele beschreiben und ihre Regeln untersuchen. So sollte im ersten Halbjahr der Klasse 5 in dem zweistündigen Zusatzkurs „Sprachwerkstatt“ die „Schulung formaler Fähigkeiten“ durch ergänzenden Sprachunterricht in Deutsch geschehen, während im zweiten Halbjahr der „Zusammenhang von Mathematik und Sprache“ bewusst zu machen war.

In der Klasse 6 war die Unterrichtseinheit „Latein und Europa“ vorgesehen, um „Interesse am Latein und Verständnis für den Sinn des Lateinunterrichts zu wecken“ und gleichzeitig eine sinnvolle Ergänzung des Geschichtsunterrichts zu geben. Mit der Umsetzung im Schuljahr 2002/2003 hätte man gleichwertige Voraussetzungen für die Bewältigung der Mittel- und vor allem der Oberstufe geschaffen.

 

Die Antwort des Ministeriums auf den Antrag der Schule (Einführung von „Latein plus“ und „Sprachwerkstatt“, Vorziehen der dritten Fremdsprache) mit der Interpretation des Dezernenten vom 29. April 2002 fiel ernüchternd aus, wenn auch Idee und Fleißarbeit Anerkennung erfuhren:

  1. Alle Vorschläge zu dem sprachlichen „enrichment“ müssten kostenneutral sein, so dass kein Anspruch auf eine Lehrerstellenzuweisung abgeleitet werden könne. 2. „Latein plus/Sprachwerkstatt“: Die Höchststundenzahl pro Woche von Klasse 5 bis 10 für die beiden Fremdsprachen Latein/Englisch bzw. Englisch/Latein (insgesamt 39 Stunden) dürften nicht überschritten werden. Diese 39 Stunden wurden aber bisher allein für den normalen Unterricht in Latein/Englisch ausgeschöpft. Die zusätzlichen 4 Stunden für „Latein plus/Sprachwerkstatt“ in Klasse 5/6 müssten also von den 39 Stunden abgezweigt, d.h. das Angebot in der ersten und zweiten Fremdsprache um 4 Stunden gekürzt werden.
  2. Vorziehen der dritten Fremdsprache: Da hierfür nur 8 Wochenstunden in Klasse 9/10 zur Verfügung standen, müssten diese dann auf drei Jahre (Klasse 8 bis 10) verteilt oder die Stunden für die erste und zweite Fremdsprache noch mehr gekürzt werden.

Unter diesen Umständen wollte das Kollegium erst einmal abwarten und den Beginn von Griechisch/Französisch zunächst bei Klasse 9 belassen. „Latein plus/Sprachwerkstatt“ sollte aber wie geplant ab 2002/2003 durchgezogen werden. Die Verbuchung in der Unterrichtsverteilung bei ungekürztem Angebot der ersten und zweiten Fremdsprache war Sache des Schulleiters. Der aber sah seine dunklen Ahnungen bestätigt, dass ab 2005 ohnehin völlig neue Vorgaben zu erwarten waren und viele Bemühungen um „enrichment“ zur Makulatur werden ließen.

 

Während der Arbeiten am Schulprogramm kamen Schulleiter und Schulpflegschaftsvorsitzender auf die Idee, im Vorgriff eine Art „Kurzbroschüre“ herauszugeben, die das Schulprofil klar herausstellte und das Schulprogramm in Kurzfassung darstellte, um neuen Eltern und Interessierten einen schnellen, aber einprägsamen Einblick in die charakteristischen Merkmale des Beethoven-Gymnasiums zu vermitteln. Eine Sammlung in der Elternschaft, großzügige Spenden und der Zuschuss der „Freunde und Förderer des Beethoven-Gymnasiums“ ermöglichten die Finanzierung. Schulleitung und einige Kolleginnen und Kollegen lieferten Texte und Bilder, die von einer durch den Schulpflegschaftsvorsitzenden eingeschalteten Werbeagentur zu einer Broschüre bearbeitet bzw. zusammengestellt wurden. Da deren Sprache nicht unseren Adressatenkreis ansprechen würde, ließ der Schulleiter noch einmal die Texte umschreiben und dann mit der spendablen Unterstützung der Eltern die Kurzbroschüre drucken.

11.18 Sonnenfinsternis, Jahrtausendwende und Ausklang der Schulleitertätigkeit