11.2 Veränderte Rahmenbedingungen für Lehrer und Schüler: Sparmaßnahmen, Lehrerversetzung, Kooperation

Für die Umsetzung dieser Leitlinien verschlechterten sich allerdings gegen Ende der 80er Jahre die entscheidenden Rahmenbedingungen. Die „Schülerschwemme“ ebbte ab (Gesamtschülerzahl von 914 (1985) auf 780 (1991)), und die Konkurrenz zwischen den privaten und öffentlichen Gymnasien Bonns um „Schülernachwuchs“ (1986: 132 Erstklässler; 1991: 69) verschärfte sich seit Beginn der 90er Jahre. Die für die Berechnung der Lehrerstellen wichtige Zahl der Oberstufenschülerinnen und -schüler verringerte sich am Beethoven-Gymnasium zunehmend, zumal die Schule wegen ihres Profils fast keine Übergänge aus anderen Schulformen in die Stufe 11 zu verzeichnen hatte. Das führte zu Lehrer-, Klassen- und Kurs„überhängen“, denn die Landesregierung hatte drastische Sparmaßnahmen vorgenommen, die Klassenstärke angehoben, auf Verringerung des Kursangebots und Vergrößerung der Kurse der Oberstufe gedrängt (verpflichtende Vorlage des Entwurfes der Unterrichtsverteilung für die 2. Hälfte der Stufe 11 beim Dezernenten wegen evtl. Streichungen oder Zusammenlegungen) sowie eine Kooperation zwischen den Gymnasien vorgeschrieben (ohne Rücksicht auf Reibungsverluste und die verschiedenartigen Umsetzungen der Oberstufenreform). Trotz wachsender Zahl arbeitsloser Junglehrer blieben Neueinstellungen dem Beethoven-Gymnasium – angesichts errechneter Überhänge – über 15 Jahre lang verwehrt. Zwischenschulische Versetzungen konnten letztlich Lücken in den Mangelfächern (z. B. Naturwissenschaften, Musik, Kunst, Mädchensport) nicht füllen.

 

Schließlich drohten erstmalig nach dem Krieg Zwangsversetzungen (in den 80er Jahren hatte das Kollegium noch über 70 Mitglieder, in den 90er Jahren nur zwischen 59 und 64). Im Juni 1987 wurde ruchbar, dass sechs auswärtige Kolleginnen und Kollegen, z. T. mit Überhangfächern (für das betreffende Fach gab es mehr Lehrer als der errechnete Bedarf), nach den Sommerferien am Beethoven-Gymnasium unterrichten, während gleichzeitig „3,2“ (!!) Lehrer des Beethoven-Gymnasiums mit z. T. eben diesen Überhangfächern „zwangs“versetzt würden. Eine solche Logik wollte sich dem Schulleiter nicht so recht erschließen. Er legte dezidierten Einspruch bei der vorgesetzten Behörde ein, die ihm postwendend eine heftige Rüge für sein „unakzeptables Vorgehen“ erteilte mit der Auflage, den Vorgang dem Kollegium und dem städtischen Schulamtsdirektor bekannt zu geben. Gleichzeitig sollte die Dezernentin der Schule Kötting über „Rechte und Pflichten von Schulleitern in den sensiblen Fragen der Lehrerversetzung“ aufklären.

Bevor dieser Behördenvorgang abgeschlossen war, versammelten sich Kollegium und Schülerschaft zu einer Protestdemonstration gegen Zwangsversetzungen auf der Adenauerallee vor dem Schulgebäude. Ca. 5000 Teilnehmer aus allen Kollegien sowie Schüler- und Elternkreisen Bonns machten sich bei strömendem Regen am 15. Juni 1987 zu einer Großdemonstration in der Stadt auf. Die Schulpflegschaft des Beethoven-Gymnasiums hatte zu einer Protest-Briefaktion aufgerufen und konnte 4000 Unterschriften (640 allein vom Beethoven-Gymnasium) vorweisen, die am 16. Juni von SV-Vertretern der Bonner Schulen im Düsseldorfer Kultusministerium übergeben wurden. Das reichte seinerseits den Vorgang „nach unten“ durch und veranlasste den Versetzungsdezernenten zu der scharfen Reaktion über Köttings Einspruch. Mit den Sommerferien beruhigten sich die Gemüter, der Schulleiter nahm die sechs neuen Kollegen freundlich auf, der Lehrerüberhang blieb, ein Ausgleich in Mangelfächern unterblieb ebenso wie eine Zwangsversetzung; es kam allenfalls zu kurzfristigen Abordnungen.

 

Dafür pochte die Behörde auf Durchführung einer Kooperation der Bonner Gymnasien in der Oberstufe, auch wenn dem Zwänge unterschiedlicher Stundenpläne entgegenstanden. Ein von der Schule des Vorsitzenden der Bonner Direktorenkonferenz vorgeschlagenes einheitliches Oberstufensystem lehnte Kötting kategorisch ab, da seine Praktizierung die Aufgabe des seit Ende der 70er Jahre bewährten Beethoven-Modells bedeutet hätte. So kam es in den 90er Jahren nur zu einer engeren Zusammenarbeit (meistens) zweier, in der Regel benachbarter Gymnasien. Bei gleichen Pausenzeiten (und der späteren Einführung einer zweiten großen Pause) schloss das Beethoven-Gymnasium am 2. Februar 1988 einen Kooperationsvertrag mit dem zwar entfernten, aber mit der U-Bahn gut erreichbaren Tannenbusch-Gymnasium nach dem Grundsatz: „So viel Kooperation wie nötig, so wenig Veränderung des eigenen Systems wie möglich“. Die Schülerinnen und Schüler des Tannenbusch-Gymnasiums nahmen am LK Französisch des Beethoven-Gymnasiums teil (die Stunden lagen am Rande des Stundenplanes bei einem ca. 20minütigen Weg). Im Bedarfsfall bemühten sich beide Schulen, dass Interessenten für den Leistungskurs Chemie zum Tannenbusch-Gymnasium gehen konnten. Später nahmen auch gelegentlich Schülerinnen und Schüler des Beethoven-Gymnasiums am GK Italienisch neu beginnend in Tannenbusch teil. Ein Lehrer des Tannenbusch-Gymnasiums hielt häufig den Zentralkurs für Hebräisch an der Adenauerallee ab. Die Klausuren und Abiturprüfungen fanden an der Schule statt, an der die Kurse eingerichtet waren.

 

Im Leistungskursbereich gleichzeitig Latein und Griechisch anzubieten, entwickelte sich bald für das Beethoven-Gymnasium als Hindernis, da sich die Interessenten beider Sprachen gegenseitig eine hinreichende Teilnehmerzahl abspenstig machten. Außerdem erwies sich die normative Kraft des Faktischen als so stark, dass nach Erreichen des Latinums in Stufe 11 immer weniger Schülerinnen und Schüler die Sprache bis zum Abitur weiterführen wollten. Im Einverständnis (schweren Herzens) mit der Fachkonferenz Alte Sprachen entschied sich die Schulleitung für das alleinige Angebot eines LK Griechisch (der im „Huckepack“-Verfahren den Grundkurs integrierte, d.h. dessen Teilnehmer nahmen an drei Stunden des Leistungskurses teil, der in den restlichen zwei Stunden seine Inhalte erweiterte oder vertiefte). Dieses Angebot hat sich bis heute fest etabliert und entwickelte sich bald zum Alleinstellungsmerkmal unter den öffentlichen Gymnasien Bonns.

Zur Fortführung eines Lateinkurses bis zum Abitur (oder gar zu einer evtl. Teilnahme an einem Leistungskurs) wurde schließlich am 25. Februar 1988 eine Kooperation mit dem Clara-Schumann-Gymnasium vereinbart (unter ähnlichen Bedingungen wie mit dem Tannenbusch-Gymnasium): Ausgehend vom bisherigen Wahlverhalten sollte am Beethoven-Gymnasium ein Leistungskurs Griechisch und am Clara-Schumann-Gymnasium ein Leistungskurs Latein angeboten werden. Der Weg zwischen beiden Schulen betrug ca. 8 – 10 Minuten, so dass die Kurse nur wenige Minuten versetzt zum Normalplan beginnen bzw. enden konnten. Fehlende Schülerwahlen führten allerdings nicht zu einer Umsetzung der Kooperation im Leistungskursbereich. Wegen Lehrermangels am Beethoven-Gymnasium gingen dafür die Interessenten für GK Italienisch-„Neu“ in der Stufe 11 später auch zum Clara-Schumann-Gymnasium. Als ab Mitte der 90er Jahren die Schülerzahlen wieder stark zunahmen und sogar Neueinstellungen von den Schulen selbst vorgenommen werden konnten, erledigte sich meistens die Kooperation von selbst.

 

Seit 1992 stieg die Gesamtschülerzahl stetig an – von ca. 800 auf 936 (2003), wobei die Jungen immer einen ganz leichten Überhang von 10 bis 20 gegenüber den Mädchen hatten, während im Kollegium zwei bis vier Damen mehr als Herren für die notwendige Ausgewogenheit sorgten. Seit Mitte der 90er Jahre gab es immer vier Eingangsklassen (zwei mit Latein-, zwei mit Englischbeginn), die sich aus ca. 40 verschiedenen Grundschulen aus Bonn und Umgebung rekrutierten (nur 1998 fünf Eingangsklassen). Der ungefähr gleiche Anteil von Jungen und Mädchen führte auch hier zu einer angenehmen Ausgeglichenheit. Von den Raumkapazitäten her hatte allerdings das Beethoven-Gymnasium die diesbezüglichen Grenzen seiner Möglichkeiten längst erreicht, zumal die Schulleitung von Anfang an bemüht war, Funktionsräume für die außerunterrichtlichen Tätigkeiten bereitzustellen und die Zahl der Fachräume zu erweitern.

 

Der Sommer 1994 bedeutete für den Schulleiter einen tiefen Einschnitt in seiner bisherigen Tätigkeit: Sein Stellvertreter, Dr. Alfred Schmitt, zog für acht Jahre ins griechische Thessaloniki, um dort die Leitung der Deutschen Schule zu übernehmen. Einschließlich seiner Referendarzeit hatte er seit dem 1. Juni 1970 am Beethoven-Gymnasium gewirkt, davon 15 Jahre als Stellvertreter. Die Schule ohne ihn war für Kollegium und Kötting schwer vorstellbar, hatte er doch das von dem Schulpublikum so geschätzte Schulprofil des Beethoven-Gymnasiums entscheidend mitgestaltet und als Stellvertreter zweier Schulleiter garantiert. Darüber hinaus kannte Schmitt jeden Winkel und alle baulichen Unzulänglichkeiten des Schulgebäudes. Für die Umbauten der 70er Jahre, die Bauerhaltung und die Neueinrichtung vieler Fachräume zeichnete hauptsächlich er verantwortlich. Als Bindeglied zum Kollegium hatte er Köttings Schulleiterleben wesentlich erleichtert.

Zum Nachfolger schlug der Schulleiter den Geschäftsführer der GFF vor, einen Lehrer der Schule, der auch von Seiten der Schulkonferenz keine Gegenstimme erfuhr. Aber die politische Mehrheit im Bonner Stadtrat wollte den eindeutigen Wunsch der Schule nicht berücksichtigen und wählte einen anderen Kandidaten, dem allerdings die vorgesetzte Behörde nicht zustimmte. Um eine Ablehnung durch das Kultusministerium zu vermeiden, zog die Stadt im Frühjahr 1995 ihren Vorschlag zurück und ließ die Stelle neu ausschreiben. Die Schulkonferenz votierte bei drei Kandidaten – mit einer Gegenstimme – wieder für den Geschäftsführer der GFF.

Der Stadtrat wählte im Sommer 1995 Frau Christel Ehrhart (Kaiserin-Augusta-Schule in Köln), die Ende Oktober 1995 ihr Amt antrat. Sie hatte über 21 Jahre in Köln unterrichtet, als Jahrgangsleiterin, SV-Lehrerin und Jahrgangsstufenleiterin Funktionen ausgeübt und nebenbei auch als Moderatorin in der Lehrerfortbildung gewirkt. Der Schulleiter konnte nach der langen Vakanz ihre Hilfe und ihr Wissen gut gebrauchen, um mit Vehemenz in die Entwicklung des Schulprogramms einzusteigen. Dabei durfte er sich auch weiterhin ganz auf die 20jährige Erfahrung am Beethoven-Gymnasium des Geschäftsführers der GFF verlassen.

11.3 Von der Sechs- zur Fünftagewoche: 22jähriger Meinungsstreit in der Schulgemeinde