11.7 Das Beethoven-Gymnasium als Erinnerungsort

11.7.1. 1989: 2000-Jahr-Feier Bonns

– Das Beethoven-Gymnasium: 5. Station der „Historischen Meile

Ähnlich wie sein Vorgänger Dr. Seidler mit der „300-Jahr-Feier“ sah sich Kötting gleich zu Beginn seiner Schulleitertätigkeit mit einem weit über den schulischen Rahmen hinausgehenden Projekt konfrontiert: Mit dem Beitrag der Schule zu der 2000-Jahr-Feier Bonns 1989, denn auf dieses Datum hatte sich nach kontroversen Diskussionen die Stadt schließlich festgelegt und vier Jahre vorher mit den Überlegungen zur inhaltlichen Ausgestaltung begonnen. Es verstand sich von selbst, dass das Beethoven-Gymnasium, das immerhin in einem Sechstel der Bonner Stadtgeschichte eine bedeutende Rolle gespielt hatte, „Bewahrendes und Bewegendes“ dieser Schule präsentieren konnte, – schließlich war deren „300 Jahr-Feier“ noch in frischer Erinnerung. Nach einigen internen Überlegungen im kleinen Kollegenkreis bot Kötting im Februar 1986 der Stadt einige Projekte und Aktivitäten an: Modellbau (Castra Bonnensia, Schulbau von 1891); Ausstellung zur Schulgeschichte, Großer Jahresbericht (besonders über das 19. Jahrhundert), Chorkonzert, Schulball, Aufführung eines Jesuiten-Theaterstücks, Unterricht wie zur Kaiserzeit, biologischer Schul- und Heilkräutergarten mit römisch-mittelalterlichem Pflanzenbestand längs des Arkadenhofes und der Rheinmauer, usw.

Die städtische Projektleitung nahm das Angebot gerne an und begann Mitte des Jahres mit der Planung eines Novums im Ausstellungswesens, mit der „Historischen Meile“: Die Präsentation der Bonner Stadtgeschichte in thematisch und räumlich überschaubarem Rahmen und an historisch relevanten Ausstellungsorten, markiert in Form eines Fußweges durch die Stadt, der die Entstehung und Entwicklung Bonns und seines Stadtbildes aufzeigen sollte (Römische Ära, Mittelalter, Kurköln 1583 – 1794, Bonner Schulgeschichte mit Schwerpunktbeispiel Beethoven-Gymnasium, Bonner Gelehrte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Bonn in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, Bonn in der NS-Zeit, Bundeshauptstadt Bonn). Bei der Namensgebung stand die alte preußische Landmeile von 7,53 km Pate, die der Besucher abschreiten sollte (ein achtfarbiger Meilenstein symbolisierte acht Etappen der Stadtgeschichte). Für seine Teilausstellung „Dauer im Wandel: Schule gestern und heute“ wollte das Beethoven-Gymnasium – neben einem Gang durch das Gebäude und dem „Unterricht zur Kaiserzeit“ – die Bücherei mit altem Bestand und das Aulafoyer mit Schau- bzw. Schrifttafeln und zahlreichen Vitrinen zum Schulalltag und zur Schulgeschichte zur Verfügung stellen.

In der zweiten Hälfte 1987 stand nach vielen Sitzungen das Konzept der „Historischen Meile“ auch für die Abteilung Schulgeschichte fest: Das Kräutergärtlein, der mittelalterliche „Hortulus“, scheiterte allerdings an dem finanziellen Aufwand, der erforderlich gewesen wäre. Für die professionelle Gestaltung und wissenschaftliche Begleitung der Ausstellung im Beethoven-Gymnasium konnten Schule und städtische Projektleitung einen ausgewiesenen Fachmann gewinnen, Prof. Dr. Hans Jürgen Apel vom Seminar für Pädagogik der Universität Köln, der das Vorhaben auf die ganze Bonner Schulgeschichte erweiterte und auch den Begleitkatalog verfasste: Gezeigt werden sollten das Elementarschulwesen, die Sonntags-, Berufs- und Fortbildungsschulen, der sogenannte mittlere Bildungssektor, die Mädchenschulen, die höheren Schulen mit dem Schwerpunkt Beethoven-Gymnasium und der schulische Alltag.

Glanz- und Höhepunkt“ der Ausstellung würde ein originalgetreues Modell des Schulgebäudes von 1891 bilden (125 cm x 110 cm und 60 cm hoch), das der Kollege Ulrich Müller in 730 zusätzlichen Arbeitsstunden erstellte. „Ohne Fahrstuhl“ versetzten sich (anfangs 26, später 11) Schülerinnen und Schüler des Beethoven-Gymnasiums (Klasse 9 bis 12) in die Römerzeit und arbeiteten (oft unter der interessierten Beobachtung des staunenden Schulleiters) seit Februar 1987 montags in der 7./8. Stunde in einem Kellerraum an dem Modell des Bonner Römerlagers aus der Zeit um 80 n. Chr., des Gräberfeldes und der römischen Rheinbrücke (3,5 x 2,5 m; Maßstab 1 : 500, für die Ausstellung „Räderwerk“ – römisches Bonn) unter der fachkundigen Anleitung des Modellbauers Stephan Raupach und mit der wissenschaftlichen Beratung von Dr. Gechter vom Rheinischen Landesmuseum. Für den „Unterricht zur Kaiserzeit“, den Köttings Stellvertreter Dr. Alfred Schmitt mit seiner Lateinklasse abhalten wollte, stand aus dem „Schulmuseum“ in der Kessenicher Nikolausschule die Einrichtung eines Klassenraumes aus dem 19. Jahrhundert als Leihgabe zur Verfügung (6 Schülerbänke, Katheder, Tafel, Ofen mit Schirm, Rechengerät, Landkarte, usw.).

 

Die Ausstellung „Bonner Schulgeschichte“ im Beethoven-Gymnasium (Anfang Mai bis Anfang August 1989) war von einem interessierten Publikum gut besucht und verlief, trotz Schulalltags und der Öffnung des Gebäudes ohne jegliche Störungen. Die Zeitungsüberschriften „Lateinlehrer schwingt den Rohrstock“ oder „Lateinunterricht wie Anno dazumal“ kündeten von der begeisterten Resonanz auf den Unterricht, den Schmitt, in schwarzem Gehrock, nach altem „Drill“ einmal in der Woche mit seiner Klasse 7 abhielt, – Jungen in Matrosenanzug und Mädchen in Schwarz-Weiß. Der Künstler Friedemann Sanders fertigte vom Römerlager der Beethovenschüler ein Bronzemodell an (Maßstab 1 : 250), das seither an der Südwestecke des alten Lagers – in einer Wohnsiedlung der Nordstadt Bonn Castell – seinen Platz fand. Insgesamt konnte – nach Einschätzung der städtischen Projektleitung – die „Historische Meile“ „einen überdimensionalen Erfolg verbuchen“ und den Museumsgedanken in Bonn verfestigen. Laut Presse erwies sie sich als ein „Renner“ (General-Anzeiger), der „die Massen anlockte“ (Bonner Rundschau).

– Der Förderverein „Historisches Museum der Stadt Bonn“ erwächst aus dem Kollegium

Wenn schon in der Schulausstellung sich über 300 Jahre der Geschichte Bonns widerspiegelten, umso eher müssten die 2000 Jahre in einem stadtgeschichtlichen Museum ihre Präsentation finden. Mehr als sieben Mitglieder des Kollegiums griffen dieses Jahrzehnte alte, immer wieder vertagte Projekt im Hinblick auf die Jubiläumsfeier und den Umzug des Kunstmuseums auf und gründeten am 12. Dezember 1984 im Lehrerzimmer des Beethoven-Gymnasiums einen Förderverein „Historisches Museum der Stadt Bonn e.V.“, der in der „ideellen und finanziellen Förderung der Errichtung, der Ausstattung und des Betriebes“ eines solchen Hauses seine Aufgabe sah und dies auch als ein Sonderbeitrag zur 2000-Jahr-Feier verstanden wissen wollte. Zum Vorsitzenden wurde der Kollege Dr. Hermann Josef Frings gewählt. Noch am Tage seiner Amtseinführung fand sich Kötting als Mitglied und schließlich im Vorstand wieder, hatte doch der Förderverein zu einer Podiumsdiskussion mit bekannten Museums- und Geschichtsfachleuten am 15. April 1985 in die Aula eingeladen, wo am Ende der zukunftsweisende Beschluss gefasst wurde, die Stadt möge „sich grundsätzlich zur Errichtung eines solchen Museums bereit erklären und einen erfahrenen Museumsfachmann mit der zukünftigen Leitung beauftragen“. Zum ersten Jahrestag des Fördervereins überreichte der Oberkonservator des Rheinischen Amts für Denkmalpflege als Geschenk die wiederentdeckten Baupläne des Königlichen Gymnasiums, die dem Modellbau für die Schulausstellung als Unterlagen dienen sollten.

Mitgliederzahlen und Außenwirkung des Vereins wuchsen mit den zunehmenden Aktivitäten und Leihgaben. Anerkannte Museumsfachleute und Leiter von stadtgeschichtlichen Einrichtungen hielten Vorträge in der Aula. Der Förderverein versuchte mit 10 Thesen die Idee voranzutreiben, eine städtische Sammlung „Vom Römerkastell zur Bundeshauptstadt“ bis zum 21. März 1989 zu verwirklichen. Mitgliederversammlungen fanden im Lehrerzimmer des Beethoven-Gymnasiums statt. Aus den Vorstandssitzungen im Direktorzimmer – mit Wein des schuleigenem Weingartens – drang manch zündende Idee über Aufbau und Standort eines Stadtmuseums an die Öffentlichkeit. Allein es fehlte der mehrheitliche politische Wille, die ausgereiften Pläne überhaupt und erst recht nicht zum Jubiläumsjahr umzusetzen, obwohl der Förderverein anbot, zur Verringerung der Folgekosten Aufsichten und Führungen zu übernehmen.

Doch das Ziel „Stadtmuseum“ verfolgte er auch über 1989 hinaus mit aller Hartnäckigkeit, – als ständige Mahnung an die Stadtspitzen, ein im vorigen Jahrhundert der Bürgerschaft gegebenes Versprechen einzulösen, was dann auch zwei Jahre vor der Jahrtausendwende Wirklichkeit werden sollte. „Mit einem säkularen Ereignis“, so liest man in der „Chronik des Schuljahres 1997/1998“, „beginnt das neue Jahr: Nach über hundertjährigem Gedankenspiel und schließlich engagierter Sammeltätigkeit kann das Stadtmuseum Bonn in der Franziskanerstraße 9 am 14. Januar [1998] endlich seine Türen öffnen“ (Jahresbericht 1998).

 

– Wieder ein Großer Jahresbericht

 

Ähnlich wie die Schulausstellung war die Herausgabe eines „großen“ Jahresberichtes zum Stadtjubiläum schon gleich zu Beginn der Schulleitertätigkeit Köttings ins Auge gefasst worden. Vor 200 Jahren Französische Revolution, in deren Folge das Beethoven-Gymnasium zur „caserne scolaire“ nach dem Muster einer französischen Kadettenanstalt mutierte, bot sich als ein weiterer, allerdings nicht ausreichender Anlass an. Bedeutsamer hob sich schon die 175jährige Gymnasialtradition der Schule ab, denn am 13. Juni 1814 hatte der preußische Generalgouverneur den ehemaligen „Lycée impérial de Bonn“ in ein „Schulcollegium“ umgewandelt, das sich nunmehr „Gymnasium“ nennen durfte. (In Folge der territorialen Umgestaltung Deutschlands nach dem Wiener Kongress war das Rheinland eine preußische Provinz geworden.) Als dann durch einen Zufall alle Jahrbücher der Schule aus dem 19. Jahrhundert (es gab nur ganz wenige Exemplare in der Schulbibliothek) im Kreisarchiv Siegburg entdeckt und in Kopie zugänglich gemacht wurden, boten sich die letzten 175 Jahre (mit dem Schwergewicht auf dem 19. Jahrhundert) als zeitlicher Rahmen für den Jahresbericht an: vom rheinpreußischen Gymnasium zur „einzigen weiterführenden Schule zwischen U-Bahnstation und Rheinfähre“.

 

In Anknüpfung an die Tradition wissenschaftlicher Arbeit neben der Unterrichtstätigkeit und parallel zu den Recherchen für die Schulausstellung in den Schul-, Stadt-, Universitäts- und Landesarchiven arbeiteten Schulleitung, Mitglieder aus dem Kollegium, der Elternschaft, aus dem Kreis der Ehemaligen und der Schülerschaft mehr als zwei Jahre an der Erstellung der Festschrift. Historie stand im Mittelpunkt – in gebührender Wissenschaftlichkeit: Der Mentor der Schulausstellung, Professor Apel, steckte den programmatischen Rahmen ab mit seinem Einleitungsaufsatz „Vom preußischen zum modernen Gymnasium“, dann Einzelpersönlichkeiten (Schopen, Kneisel), typische und weniger typische Gymnasialfächer, die repräsentativen Gebäude der Schule, die immer gleichen Klagen über die Disziplinlosigkeiten der Schüler, Lebendiges, Erinnerungen und Aktuelles, Schülerkunst und Klassenfotos, denn die Festschrift sollte auch gelesen werden, letztlich immer unter dem Fokus: der „gute Ruf“ der Schule im entlarvenden Lichte von Schulalltag und Schulwirklichkeit.

Am Ende erschloss sich während der Recherchen allen Mitarbeitern die rückschauende Lebensweisheit Gottfried Kinkels, einst Schüler und Lehrer am Bonner Gymnasium: „Wenn die Schule, auch die beste, allein uns erzöge, so blieben wir allzumal Tröpfe“. So ergab sich von selbst Kinkels Fazit: „Unser ganzer Schulunterricht hinkt hinter dem Leben her“ als das Motto des Jahresberichtes, das auf dem Einband in feiner Selbstironie mit einem „Farbabklatsch“ einer Schülerin „Fettwanst, der Ballett tanzt“ ergänzt wird, – ein Schelm, wer darin eine Anspielung auf das gefeierte kollegiale Männerballett während der Mitternachtsschau des Beethovenballes sehen wollte. Nach dem Urteil der Bonner Rundschau jedenfalls suchte das beeindruckende „Jahrhundertwerk“ „seinesgleichen“, – ohne zu ahnen, dass auch dieses schon sechs Wochen später der Geschichte (mit dem Mauerfall) „hinterher hinkte“.

 

– Schulveranstaltungen zu „Bonn-2000

 

Von den 39 außerunterrichtlichen Aktivitäten des Beethoven-Gymnasiums im Schuljahr 1988/89 seien hier nur die genannt, die im Zusammenhang mit der 2000 Jahr-Feier standen. Das Jesuiten- Theaterstück ließ sich nicht verwirklichen, dafür wurde Ende April 1989 das Aulapublikum durch die Aufführung (Klasse 5 bis 13) einer „Indianischen Faschings-Burleske in einem Akt“ begeistert: „Häuptling Abendwind“ von Johann Nestroy mit Musik von Jacques Offenbach, einer „bunten politischen Allegorie von 1862“. Im Bonner Schüler-Theater-Wettbewerb erhielt die Theateraufführung den ersten Preis.

Musikalisch konnte das Beethoven-Gymnasium das ganze Festjahr umrahmen. Während der Osterferien besuchte der Kammerchor in Oxford, der Partnerstadt Bonns, die St. Edward’s School, gestaltete mit deren Kirchenchor und Schulorchester den musikalischen Rahmen des Palmsonntag Gottesdienstes und gab am Abend ein gemeinsames, viel beachtetes Chorkonzert. Bei den „Wittener Tagen für neue Kammermusik“ sang am 22. April der Schulchor in dem Auftragswerk des begleitenden Kammerorchesters der London Sinfonietta: „First Ferry to Hoy“ (1985) von P. M. Davies; 4 Schülerinnen und ein Schüler des Beethoven-Gymnasiums hatten für das Programmheft den englischen Text in vorbildlicher Weise übersetzt. Die Mitwirkenden durften sich des großen Beifalls des internationalen Fachpublikums und des Komponisten rühmen.

Zum Jubiläumskonzert in der Beethovenhalle am 5. September sollte der Chor eigentlich Beethovens „Missa solemnis“ darbieten, doch fand sich diese auf einmal auf dem Spielplan des 33. internationalen Beethovenfestes, so dass die Planung kurzfristig umdisponiert werden musste und „Die Schöpfung“ von Haydn zur Aufführung kam. Publikum und Presse waren begeistert von den mehr als 100 Sängerinnen und Sängern, die vom Orchester der Beethovenhalle und von professionellen Sängern umrahmt wurden. In der langen Reihe der alljährlichen Chorkonzerte war ein Höhepunkt erreicht, der sich mit schulischen Mitteln und im schulischen Rahmen schwerlich halten ließ; dass allerdings der Schulchor in dieser Dimension in der Folgezeit einem „Jüngsten Gericht“ zum Opfer fiel, konnte damals niemand ahnen.

Im Rahmen des „musikalischen Austausches“ mit Oxford kamen im Oktober Chor und Orchester der St. Edward’s School und gaben ein gemeinsames deutsch-britisches Chorkonzert in der Aula mit Gershwin, Buxtehude und Vivaldi als „leuchtenden Höhepunkt“. Bei dem 14. Schülerkonzert im November boten mehr als 30 Schülerinnen und Schüler mit ihren Kurzinterpretationen vornehmlich klassischer Komponisten einen „Musikgenuss besonderer Güte“. Während der traditionellen Nikolausfeier für die Kinder der Kolleginnen und Kollegen konnten Sankt Nikolaus und Knecht Ruprecht bei einem Weihnachtslied nur auf die weniger geübten Stimmen der Mütter und Väter zurückgreifen. Die Besucher des ökumenischen Adventsgottesdienstes vor den Weihnachtsferien ließen sich dagegen sehr von der „musikalisch vielfältigen Gestaltung beeindrucken“ und schauten, zufrieden mit diesem Jahr höchster musischer Dichte, erwartungsvoll auf die nahe „Ankunft des Herren“.

 

Die „Weinseligkeit“ veredelte dieses Feierjahr zu vielen Gelegenheiten. Im Zusammenhang mit der deutschen Weinwoche konnte der Schulleiter mit dem Deutschen Weininstitut in Mainz eine Weinprobe vereinbaren: Zu Beginn der Pfingstferien durfte das Weinkollegium mit zahlreichen Gästen aus der Elternschaft und befreundeter Schulen im Lehrerzimmer Wein aus deutschen Landen (trocken bis trockenbeerig) verkosten, – unter der fachkundigen und lockeren Beredsamkeit des Kellermeisters und dem „lieblichen“ Anblick der Deutschen Weinkönigin (aus Schliengen im Markgräfler Land).

Zu Pfingsten hielten Schulleitung und die Vorsitzenden der Schulpflegschaft an der „Vinea Domini“ in der Rheinaue „Weinwache“, um neugierigen Stadtjubiläumsgästen den Schulweinberg zu zeigen und seine Erzeugnisse probieren zu lassen, – beobachtet von über ihnen schwebenden bunten Heißluftballons „Bonn 2000“. Für das Kollegiumsfoto im Jahresbericht schlug der bewährte Hausphotograph eine „schwierige“ Stelle mit Gebirgsmotiv vor: Bei einem kleinen Ausflug Ende Mai erklommen (fast alle) Kolleginnen und Kollegen die schwindelnden Höhen des Stenzelbergs, um sich an dessen Steilhang in Positur zu stellen. Der Abstieg fiel umso leichter, denn am Ende luden die Obstwiesen des Weingutes Sülz zur ausgiebigen Verkostung des nördlichsten rechtsrheinischen Weines ein. Zu ihrem „zehnjährigen Verbleib“ an der Schule luden im Sommer 10 Kolleginnen und Kollegen den „Rest“ des Kollegiums – nebst ehemaligem Schulleiter Dr. Seidler – zu einer fröhlichen Feier in der großen Arkadenklasse ein; auch hier soll mehr Wein als Bier getrunken worden sein.

 

Am Tag der „Offenen Tür“ im September 1989 (zweistündige Unterrichtsmitschau, Rahmenprogramm und Präsentation der Ergebnisse der Projekttage „Sowjetunion“) kamen abends Kollegium, Elternschaft, Oberstufenschüler und aberhunderte Ehemalige in die Beethovenhalle, zum bisherigen Höhepunkt des seit 1973 biennal veranstalteten Beethovenballes. Den mitreißenden Tanzeinlagen der „hauseigenen Kätzchen“ nach den Klängen des Musicals „Cats“ und weiteren Darbietungen von Mittel- und Oberstufenschülerinnen folgte in den Pausen das tanzwütige Publikum gerne von den Sitzen aus, nichts hielt sie dort mehr, als um Mitternacht das berühmte Männerballett des Kollegiums – in und auf Spitzen – in einem „geschlechtsübergreifenden“ Auftritt voller Grazie für tosenden Beifall sorgte.

 

Gut einen Monat später lobte die Bonner Rundschau: „Bei diesem Wein ist alles edel!“, als die Weinlese mit ganz großem Publikum im „Weinberg des Herren“ zelebriert wurde; der „Herr“ selbst, der „Kurfürst von Köln“, Dr. Franz-Josef Antwerpes, leidenschaftlicher Hobbywinzer mit eigenen Rebstöcken vor seinem Dienstgebäude, eilte von einem ICE-Pressegespräch in die Rheinaue, um mit der Bezirksbürgermeisterin, dem stellvertretenden rheinland-pfälzischen Bevollmächtigten beim Bund, dem Vertreter des Landwirtschaftsministers und der Schulleitung nach einem „Probeschluck“ die kühne Wertung der Zeitung zu bestätigen und die ersten Reben mit der Schere abzuschneiden, ohne sich dabei den Finger zu verletzen. Ohne Hoffnung auf eine „Gegenleistung“ überreichte der Schulleiter dem Regierungspräsidenten einen „Roten“ aus dem „Frondeputat“ und ein Exemplar des gerade erschienenen Jahresberichts 1988/89, dessen Motto „Unser ganzer Schulunterricht hinkt hinter dem Leben her“ inmitten der fröhlich und beschwingt an den Weinstöcken arbeitenden Corona augenfällig bestätigt wurde.

Rückwärtsgewandt knüpfte diese Lese an eine Tradition an, die vor 250 Jahren auf dem jetzigen Gelände des Beethoven-Gymnasiums begann. In die Zukunft geschaut, sollte noch nicht einmal ein Monat vergehen, dass mit dem Fall der Mauer und der beginnenden deutschen Einigung die „Vinea Domini“ das Etikett „nördlichster von den Brüsseler Behörden genehmigter Weinberg der Bundesrepublik“ an die Saale-Unstrut Weinregion verlieren würde. Hätte sie es gewusst, die Corona wäre sicherlich für ein weiteres Glas geblieben.

Geahnt haben es vielleicht die 250 Geschichtslehrer, für die der Schulleiter am 9. November den Aulatrakt für die Jahrestagung des „Landesverbandes Nordrhein-Westfälischer Geschichtslehrer“ zur Verfügung gestellt hatte. Gewürdigt haben es eine gute Woche später Kollegium und Pensionäre im „fröhlichen Weinberg“ beim traditionellen Kollegenessen, um im „Schnittpunkt aller Koordinaten“, dieses eine Mal im „Rheinland-Pfalz-Pavillon“ auf der „Vinea Domini“, des vergangenen „weinseligen“ Jubiläumsjahres 1989 zu gedenken.

 

Noch bevor das Jubiläumsjahr überhaupt erst begann, nahm ein Kollege mit einer großen Anzahl von Schülerinnen und Schülern die Vorbereitungen für die „Nachlese“ auf: „Bonn 2001 – Ein Jahr danach“, eine Stadtgeschichte als Theaterrevue, ein „rückblickender Bilderbogen“ in der Dialektik von Werden und Vergehen, Krieg und Frieden, Festtag und Alltag. Von der Gegenwart sollte durch die Vergangenheit in die Zukunft geblickt werden. Nach eineinhalb Jahren ließen im Juni 1990 mehr als 200 Mitwirkende, angefangen von der Eiszeit bis zu den heutigen (heißeren) Sommern, ein „Panorama Bonner Geschichte“ vorüberziehen. Wie der Chronist zu loben wusste, gehörten die „Ansichten eines ‚Stadtstreichers’“, ein „Zwiegespräch zwischen Beethoven und Schumann und ein jüdischer Tanz in Erinnerung an die nationalsozialistische Verfolgung zu den Höhepunkten“.

11.7.2 1991: „Beethoven zieht immer“: Umzug in den Neubau an der Coblenzer Straße vor 100 Jahren