- 49 des neuen Schulgesetzes schrieb für alle gymnasialen Jahrgänge die seit langem abgeschafften „Kopfzensuren“ wieder vor, die erstmalig am 18. Januar 2008 am unteren Ende der Zeugnisse aufzuführen waren. Man sollte sie besser „Fußnoten“ nennen, urteilte die Chronistin des Jahresberichtes 2008 des Beethoven-Gymnasiums, hoffte doch mancher, „dass sie auch nur eine Fußnote der Schulgeschichte“ blieben, womit sie auf diese in der Lehrer-, Schüler- und Elternschaft umstrittene und kontrovers diskutierte Maßnahme charakterisierte. Zu vergeben waren sechs (!) Kopfzensuren, drei zum Arbeitsverhalten (Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Sorgfalt, Selbstständigkeit) und drei zum Sozialverhalten (Verantwortungsbereitschaft, Konfliktverhalten, Kooperationsfähigkeit). Für diese „Kompetenzbereiche“ hatte eine ministerielle Handreichung jeweils (6 – 9) verschiedene, positiv ausgedrückte „Indikatoren“ bereitgestellt. Vier Zensurenbereiche waren zu unterscheiden: sehr gut, gut, befriedigend, unbefriedigend. Die definitive Entscheidung über die Vorgehensweise lag bei der Schulkonferenz, die für die Zensuren „befriedigend“ und „unbefriedigend“ die Verpflichtung zu einer Erläuterung zum Zeugnis beschloss.
In der Oberstufe des Beethoven-Gymnasiums sollte ein Lehrer bzw. eine Lehrerin des ersten Leistungskurses die Kopfzensuren der jeweiligen Schülerinnen und Schüler vorschlagen und die übrigen Kurslehrer sollten dem zustimmen oder Gegenvorschläge machen können. Die Beobachtungen zu den Bereichen der sechs Kopfzensuren waren von den einzelnen Lehrern zu dokumentieren, die endgültigen Zensuren erst in der Konferenz festzulegen. Entschuldigte und unentschuldigte Fehlstunden standen auch auf dem Zeugnis.
Bei der Sekundarstufe I war sich das Kollegium einig, besondere pädagogische Sorgfalt walten zu lassen und keine Einheitszensuren zu vergeben. Vor allem bei Übergangs-, Abgangs- oder Abschlusszeugnissen plädierte man für einen positiven Umgang mit den Kopfzensuren. Die Klassenlehrerinnen und -lehrer sollten – unter Berücksichtigung der auf dem Stammblatt eingetragenen Vorschläge der Fachlehrer – für die Zeugniskonferenz eine Zensur vorschlagen, die bei mehreren oder starken Abweichungen in manchen Fächern abgeändert bzw. mit einer entsprechenden Erläuterung zu ergänzen war. Der Schulleiter verwies eindringlich auf die Notwendigkeit, Notizen über alle Elterngespräche anzufertigen, um die erzieherische Arbeit dokumentieren und eventuelle Vorwürfe der Eltern über eine mangelnde Grundlage der Zensurengebung entkräften zu können.
Aus der Elternschaft kamen sehr viele Reaktionen auf eine Umfrage der beiden Schulpflegschaftsvorsitzenden: 30 % der antwortenden Eltern sprachen sich für Kopfzensuren aus, weil sie ihre Funktion als „Erziehungshilfe“ und „pädagogisches Mittel“ bejahten, um die Schüler zu einem positiveren Verhalten anzuregen. Allerdings wurden auch von diesen Eltern Umfang und Procedere des aufwendigen Zustandekommens der Kopfzensuren kritisiert.
In 70 % der Rückläufe sprachen sich die Eltern mit Hinweis auf die Subjektivität der Beurteilung gegen Kopfzensuren aus, mit denen Lehrern – zusätzlich zu den Fachnoten – ein weiteres Druckmittel an die Hand gegeben würde. Besonders kritisch wurden diese Noten auf Abgangszeugnissen beurteilt, mit denen die Schüler „ins Leben“ gingen.
Die Elternschaft stellte zwar übereinstimmend fest, dass es disziplinarische Herausforderungen in einzelnen Klassen gebe und geeignete Erziehungshilfen bei solchen Fällen notwendig seien, doch bei den Mitteln, diese erfolgreich umzusetzen, unterschied sich das Meinungsbild sehr stark. Im Gegensatz zu einer Regulierung über Zensuren schlug eine große Mehrheit der Eltern turnusmäßige Schüler-Lehrer-„Entwicklungsgespräche“ mit gemeinsam festgelegten Zielen vor (gegebenenfalls unter Einbeziehung der Eltern). Kopfzensuren seien ein „verwerfliches Mittel, disziplinarische Schwierigkeiten und die teilweise gravierenden Bildungslücken vieler Schüler durch möglichst geringen finanziellen und personellen Aufwand zu bewältigen“.
Nicht nur ein Mitglied des Kollegiums verfasste daraufhin – unter voller Annerkennung der Schulleitung – einen Brief an den Ministerpräsidenten über die „Fragwürdigkeit der Benotung des Arbeits- und Sozialverhaltens“, auch die Schulpflegschaftsvorsitzenden forderten von der Schulministerin am 3. April 2008 im Namen der Elternschaft, „mittelfristig die Bewertung in Notenform ganz wieder abzuschaffen und kurzfristig das Procedere wie folgt zu ändern: – die Kopfnoten von 6 auf eine geringere Anzahl zu reduzieren und sie ausschließlich auf die Bewertung des Arbeitsverhaltens zu beschränken – die Möglichkeit offen zu lassen, sie von den Abgangszeugnissen (Klassen 10 und 13) ganz zu entfernen“. In diesem Zusammenhang möchte die Schulpflegschaft das kürzlich beschnittene „Mitsprachrecht der Schulkonferenz zum Weglassen der Noten von bestimmten Zeugnissen“ wiederhergestellt wissen.
Ein gutes halbes Jahr später erreichte ein neuer Erlass des Ministeriums das Beethoven-Gymnasium, dass mit dem Halbjahreszeugnis 2008/09 nur drei Kopfzensuren (Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit/Sorgfalt, Sozialverhalten) zu erteilen waren. Das Kollegium einigte sich auf folgendes Procedere (mit möglichst geringem bürokratischen Aufwand) bei den Zensuren „befriedigend“ und „unbefriedigend“: Um die Schülerinnen und Schüler „vorzuwarnen“ und ihnen eine Chance zu gewähren, ihre Zensur zu verbessern, sollten die Fachlehrerinnen und -lehrer mit ihnen am Ende des ersten Quartals des jeweiligen Schulhalbjahres ein pädagogisches Gespräch führen, das schriftlich kurz zu dokumentieren und von beiden abzuzeichnen war (zur Weitergabe an den Klassenlehrer), worüber die Eltern gegebenenfalls eine Information erhielten. In den Zeugniskonferenzen mussten dann die von den Fachlehrern an die Klassen-/Stufenleiter eingereichten Kopfzensuren bei Bedarf diskutiert und endgültig festgelegt werden.
Das Verfahren hatte sich noch nicht ganz eingespielt, als sich auch diese Kopfzensuren als eine „Fußnote“ der Schulgeschichte erwiesen. Die 2010 neu gewählte Landesregierung schaffte die Kopfzensuren wieder ab.