5.2 Bewahrung der katholischen Tradition des Königlichen Gymnasiums

Angesichts der weiter steigenden Schülerzahlen in den 50er Jahren kam man um eine Erweiterung des Gebäudes in der Bonngasse nicht umhin: Im Herbst 1855 wurde auf den Mittelbau ein Stockwerk aufgesetzt, im Sommer 1856 erhielten die Seitenflügel ebenfalls ein weiteres Stockwerk. Seither konnte man die Oberprima (Abschlussklasse) und ein Jahr später auch die Tertia und Quarta (Klassen 9 bis 7) in zwei Parallelklassen teilen. Vom Schuljahr 1881/82 an wurde das Bonner Gymnasium in der Regel in allen Klassen doppelzügig geführt, nachdem in der Kaiserzeit der verbindliche neunjährige Gymnasialkursus eingeführt worden war.

Da seit Mitte des Jahrhunderts der Gymnasialfonds bei weitem nicht mehr ausreichte, die Unterhaltskosten zu decken, mussten die Eltern mit einem höheren Schulgeld einspringen. Dies blieb auch bis zur Jahrhundertwende die wichtigste Einnahmequelle, obwohl der Preußische Staat 1874 die Schule als eigene Anstalt anerkannt hatte. Erst nach 1900 deckten die staatlichen Zuschüsse die Hälfte der Kosten ab (noch 1950 finanzierte sich das Beethoven-Gymnasium aus ca. 70% staatlichen Zuschüssen und 30% Schulgeld).

Die zu Beginn des Jahrhunderts noch geringe Zahl evangelischer Schüler (1851: „241 kath., 53 ev., 14 jüdisch“) stieg bis zur Reichsgründung auf ein Drittel an (1971: „278 kath., 135 ev., 16 jüdisch“) und erreichte 1886 ihren Höhepunkt („293 kath., 210 ev., 17 jüdisch“). 1872 richteten 56 angesehene Bonner Bürger eine Bittschrift an den Minister, ein zweites, nicht ausschließliches katholisches Gymnasium zu eröffnen oder die Umwandlung des Königlichen Gymnasiums in ein „Simultangymnasium“ vorzunehmen, um den konfessionellen Charakter aufzuheben. Der Verwaltungsrat des Gymnasiums wies jegliche „confessionelle Engherzigkeit“ zurück, befürwortete aber die Einrichtung eines evangelischen Gymnasiums, weil eine Schule „ein organisches, von ein und demselben Geist durchdrungenes Wesen“ sein sollte. Auch das Provinzialschulkollegium (PSK) unterstrich in einer historischen Rückschau, dass weder die Kurfürsten, noch die Franzosen noch gar die Preußen den Charakter einer katholischen Schule festgelegt hätten. Der Minister lehnte die Petition ab; 1874 erkannte er das Gymnasium als staatliche Anstalt an.

Als die Bittschrift auf „Simultanisierung“ des Gymnasiums wiederholt wurde, lehnte dies das Provinzialschulkollegium gegenüber dem Minister – angesichts des „Kulturkampfes“ – erneut ab mit dem Hinweis: „Diese Anstalt ist nach ihrem Ursprung … sowie nach ihrem thatsächlich durch alle geschichtlichen Wandlungen hindurch bewahrten Charakter … so spezifisch katholischer Art, daß eine ausdrückliche Abänderung dieses Charakters, die förmlich ausgesprochene Simultanisierung der Anstalt, der katholischen Bevölkerung zweifellos als ein tendentiös scharfer Bruch mit der geschichtlichen Tradition der Anstalt erscheinen würde“. Die Ablehnung des Ministeriums, die kirchenpolitische Auseinandersetzung im Rheinland nicht noch zu verschärfen, bewahrte das Königliche Gymnasium vor einer grundsätzlichen Veränderung seines Charakters. Nach der Gründung des Städtischen Gymnasiums (heute Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium) sank der Anteil der evangelischen Schüler wieder auf ein Viertel (1897: „379 kath., 129 ev., 23 jüdisch“). Auch nach der Jahrhundertwende galt trotz der nicht unwesentlichen Zahl evangelischer Schüler (z. B. 1. August 1908: „500 kath., 129 ev., 11 jüdisch“) das Königliche Gymnasium als „ausgesprochen katholisch“. Gleichwohl spielte, in der Erinnerung Ehemaliger, die Konfession weder im Unterricht, noch im Verhältnis der Schüler untereinander eine besondere Rolle.

 

5.3 Die „gesundheitswidrige Beschaffenheit“ des Gebäudes in der Bonngasse