5.3 Die „gesundheitswidrige Beschaffenheit“ des Gebäudes in der Bonngasse

Mit seinen kahlen Wänden ohne Bilderschmuck, die seit vielen Jahren schon auf einen Anstrich warteten, und den alten, unbequemen und reichlich beschnitzten Holzbänken machte das Schulgebäude einen sehr „spartanischen Eindruck“. Der Turnsaal im unteren Geschoss des Mittelbaus genügte kaum den damals noch geringen Anforderungen des Sportunterrichts, der schließlich in die Turnhalle des Städtischen Gymnasiums verlegt werden musste. Die Aula im zweiten Stock beherbergte zeitweilig, durch eine Bretterwand geteilt, die Prima (Stufe 12 und 13) als Klassenzimmer.

Nach 150 Jahren wurde in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts der bauliche Zustand des Bonner Gymnasiums von Gutachtern als sehr „mangelhaft“ eingeschätzt; größere Investitionen waren seit langem unterblieben. Die Schule, in einem sehr stark bevölkerten, älteren Stadtteil gelegen, grenzte an Wohnhäuser, die meist in einem „höchst ungünstigen Zustande“ waren. In der Nähe befanden sich mehrere Metzgereien, die im Hause schlachteten. Auch das schräg gegenüberliegende Direktorialgebäude, in das die Unterprima (heute Stufe 12) ausgewichen war, stieß zur einen Seite direkt an die Kirche, zur anderen an Wohnhäuser, deren „hygienische Beschaffenheit … als eine im hohen Grade ungünstige zu bezeichnen“ war. Aus der Lage beider Gebäude resultierte, dass der „Zutritt frischer, unverdorbener Luft zu den Gebäuden, in welchem sich circa 450 Schüler und ihre Lehrer einen großen Teil des Tages aufhalten“ mussten, ein „durchaus erschwerter“ war.

Die fehlende Unterkellerung des Schulgebäudes hatte eine so bedenkliche Feuchtigkeit der vier im Erdgeschoss liegenden Klassenzimmer zur Folge, dass die Spuren an deren Wänden deutlich zu sehen waren und der Hausmeister des Öfteren den hierauf „wuchernden Pilzrasen“ abkehren musste. Bei schlechtem Wetter hatten sich die Schüler in den Pausen im Klassenzimmer aufzuhalten, da es überhaupt keine Korridore und auch keinerlei Aufbewahrungsmöglichkeiten für durchnässte Mäntel gab. Der Fußboden der zwei Klassenzimmer im Direktorialgebäude lag einen halben Meter tiefer als der angrenzende Garten und die Abtrittgrube direkt hinter der Korridorwand: Um hier die feuchten Wände weniger offenbar werden zu lassen, hatte man sie mit Tüchern teilweise überspannt

Der dunkle, triste Innenhof war als Schulhof für die angestiegene Schülerzahl   viel zu klein (438 m² bei 447 Schülern), zumal der größte Teil für die Lehrer reserviert war. Auch der 458 m² große Hinterhof konnte kaum als Spielplatz genutzt werden, da noch 91 m² von den „Abtritten, Pissoirs, der Müllgrube und einem Materialschuppen“ eingenommen wurden. Eine „ohne wirkliches Gefälle, auf den Fußboden gelegte, vielfach defekte steinerne Rinne und einige an eine Mauer gelehnte Holzverschläge“ dienten als „Pissoirs“ mit ihrem penetranten Geruch. Die „Abtritte saßen auf einer einfachen Senkgrube auf“, die „eine Strecke weit“ in den Schulhof hineinreichte und „hier einfach durch einige Bretter überdeckt“ war. Der medizinische Gutachter resümierte: „Das Innere der einzelnen Abtritte spottet in seinem verwahrlostem Zustande jeder Beschreibung. Bei dem Mangel einer jeden Wasser zuführenden Einrichtung auf dem Terrain des Schulgebäudes ist von einer Durchspülung der Pissoirs oder Abspülung der Abtritte nicht die Rede“. Die weitere Benutzung eines solchen Schulgebäudes sei vom sanitären Standpunkt aus nicht mehr zu billigen.

 

Trinkwasser holten sich die Schüler an dem Brunnen auf der Straße. Die Oberstufenschüler durften die Bonngasse zwischen der heutigen Friedrichstraße und dem Markt als „Pausenhof“ benutzen. Der Markt selbst, dessen Betreten nicht erlaubt war, strahlte eine viel zu große Anziehungskraft auf die Schüler aus, um sich an das Verbot immer zu halten. Die es sich leisten konnten, kauften in der großen Pause Zuckerbrot in der Konditorei Schöpfwinkel neben dem Gymnasialgebäude in Richtung Markt. Zum Stundenbeginn und -ende läutete der „Kastellan“ die im Turnsaal hängende Glocke. An Tagen, an denen Schulgottesdienst stattfand, stellten sich die Schüler auf dem Hof auf und gingen durch das Tor geradewegs in die gegenüberliegende Jesuitenkirche. Nachdem diese 1877 den Altkatholiken überwiesen worden war, wurde die Messe in das Bonner Münster verlegt. Es blieb jedoch das Läuten von einem der Türme der Jesuitenkirche zum vor- und nachmittäglichen Unterrichtsbeginn.

Einmal in der Woche wurden die Schüler „in je einer Stunde in der städtischen Turnhalle unterrichtet“. Im Sommer waren zwei Spielstunden „für freiwillige Teilnehmer“ eingerichtet; ca. 2/3 der Schüler besuchten die Bonner Schwimmanstalten. Ebenfalls in den Sommermonaten unternahmen in der Regel die Klassenlehrer „wiederholt“ Ausflüge.

 

5.4 Der „stattliche“ Neubau an der Coblenzer Straße mit „herrlicher Aussicht auf den Rheinstrom und das nahe Siebengebirge“