Auf der Reichsschulkonferenz vom Juni 1920 forderten konsequente Schulreformer, die alle Prüfungen als „unpädagogische unzeitgemäße Einrichtungen“ ablehnten, die Abschaffung des Abiturs, eine Wahlfreiheit der Schüler bei Prüfungsfächern und die Aufhebung der Bewertung nach Haupt- und Nebenfächern. Die Anhänger der Reifeprüfung setzten sich mit dem Kompromiss durch, „die Zuerkennung von Berechtigungen in erster Linie an die Schlußbeurteilung durch die Schule“ zu binden, „in zweiter Linie an Prüfungen, die grundsätzlich an der eigenen Anstalt abzuhalten“ seien. Da allerdings die Schulpolitik Ländersache war, blieben die Beschlüsse der Konferenz in der Praxis wirkungslos, ohne dass jedoch die Kontroverse über die Reform des Abiturs aufhörte. Entscheidend hierfür war der Weg, den Preußen bei der Neuordnung des höheren Schulwesens beschritt: Es behielt die traditionellen Schultypen bei und ließ sogar als neue Variante mit deutschkundlichem Schwerpunkt die „Deutsche Oberschule“ zu.
Die Besetzung des linksrheinischen Gebietes des Deutschen Reiches durch englische, französische und belgische Truppen Ende 1918 und die Bildung einiger Brückenköpfe rechts des Rheins, mit folgenschweren Eingriffen in das öffentliche Leben, zogen einschneidende Folgen für die Lebensumstände und Mentalität der Bevölkerung im Rheinland nach sich. Wer sich den Anordnungen der Besatzungsmächte widersetzte, wurde umgehend in das übrige Reichsgebiet ausgewiesen. Schulen, Turnhallen und Schulhöfe konnten für militärische Zwecke beschlagnahmt werden. Die Ruhrgebietsbesetzung und die Unterstützung des Separatismus durch die Franzosen 1923 verstärkte auch in der katholischen Bevölkerung des Rheinlandes die deutsch-nationale Einstellung.
Der beliebte Schulleiter Genniges, von dem später zahlreiche Geschichten weiter erzählt wurden, soll für seine Schüler zweimal eine Haftstrafe im Bonner Gefängnis abgesessen haben. Als nämlich französische Offiziere, die an der Rheinpromenade vor dem Schulhof des Gymnasiums ausritten, von Schülern mit Steinen beworfen wurden, weigerte sich Genniges, die „Übeltäter“ zu ermitteln, so dass er verhaftet und ins Gefängnis gesteckt wurde. Bei seiner Entlassung bereiteten ihm die Schüler einen großen Empfang vor der Haftanstalt in der Wilhelmstraße und geleiteten ihn in einem „Triumphzug“ durch die Stadt in die Aula zu einer Feierstunde. Nachdem ältere Schüler am Schluss das damals verbotene Deutschlandlied angestimmt hatten, brachte die französische Militärpolizei Genniges für kurze Zeit wieder ins Gefängnis.
Die Kosten für den passiven Widerstand und die Hyperinflation unterwarfen die Schulen einem außerordentlichen Sparzwang, der durch den Lehrermangel nach dem Krieg noch verschärft wurde. So konnten sich vorsichtige preußische Reformversuche bei der Mitbestimmung und Selbstverwaltung der Schulen in der Rheinprovinz zunächst kaum durchsetzen, da hier jeder Schritt, der die überlieferte Institution des Gymnasiums zu gefährden schien, erst einmal abgelehnt wurde.
Erst mit der endgültigen Räumung des besetzten rechtsrheinisch-westfälischen Gebietes und dem Abschluss des Locarno-Vertrages 1925 begann sich im Rheinland die politische und wirtschaftliche Lage zu stabilisieren. Es war sicherlich ein Zeichen des wachsenden Selbstbewusstseins, dass Kollegium und Schulleitung sich gerade jetzt einen Namenspatron wünschten: Zu Ehren des Schülers/Studenten der alten Universität durfte sich auf den entsprechenden Antrag hin die Schule seit dem 17. Dezember 1925, dem Tauftag Ludwig van Beethovens, „Staatliches Beethoven-Gymnasium“ nennen, – auch als vorgreifende Reverenz zu verstehen im Hinblick auf die großen Feierlichkeiten 1926 zum Jubiläum der tausendjährigen Zugehörigkeit der Rheinprovinz zum Reich: „Die Rheinlande – integrierender Bestandteil des Reiches und Preußens“. Eine eigene „Beethovenfeier“ am 25. März 1927 mit Festrede („Was Beethoven uns als Menschen, Erziehern und Schülern bedeutet“), Chor und Orchester in der Aula (wegen Platzmangels für die Klassen 5 bis 9 schon vormittags als „Generalprobe“, abends für die zahlreich erschienen Eltern und die Oberstufe) sollte sicherlich die Berechtigung der Namensgebung unterstreichen. Unmittelbar nach den Sommerferien beschloss das Kollegium schließlich, die amtliche Bezeichnung nunmehr auch über dem Hauseingang, gewissermaßen für alle Zukunft, „einhauen zu lassen“. Die endgültige Rheinlandräumung wurde am 1. Juli 1930 in einem festlichen Rahmen morgens in der Aula gefeiert.
6.3 Richertsche Schulreform: Berücksichtigung der Individualität der Schüler