6.4.3 „Arbeitsunterricht“ in Mathematik und Naturwissenschaften?

In Mathematik und Naturwissenschaften konnte sich Genniges bei der Umsetzung der Reform auf den sehr angesehenen Fachberater des PSK, Oberstudienrat Prof. Dr. Eugen Maey stützen. Vier Jahre jünger als sein Schulleiter, hatte er Mathematik und Naturwissenschaften in Königsberg studiert und sich schon sehr früh für „Schülerübungen“ eingesetzt; auch stellte er selbst physikalische Geräte für eine solche Praxis her. Seit 1920 an das Beethoven-Gymnasium auf eigenen Wunsch versetzt, wurde er dort Fachkonferenzvorsitzender, Leiter der physikalischen Sammlung und führte „unter besonders ungünstigen Umständen“ (Raum, Ausstattung) physikalische Schülerübungen ein.

Maey nahm Ende 1928 an einem 14tägigen „Fortbildungskurs zur Durchführung der Schulreform in Mathematik“ teil und berichtete der Fachkonferenz Mathematik und Physik vor allem über Lehrproben, die unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsunterrichts abgehalten worden waren. Maey schilderte den „überraschenden Erfolg der neuen Methode bei einer darauf eingestellten guten Klasse, aber auch das Versagen in einigen anderen Fällen“. Der Vorteil eines solchen Unterrichts lag für Maey in der „tiefen und nachhaltigen Erfassung des Stoffes durch die Schüler“; dem stehe der Nachteil gegenüber, dass „in der zur Verfügung stehenden Zeit die Stoffmenge des Lehrplanes nicht erledigt werden“ könne. Er teilte die Erfahrungen der Vertreter anderer Fächer: Arbeitsunterricht nehme viel Zeit in Anspruch, so dass die stoffliche Einhaltung der Richtlinien nicht zu schaffen sei. Maey regte daher an, einen neuen „Minimallehrplan“ von sämtlichen Fachkollegen aufzustellen. Auch sollten für den Arbeitsunterricht die Mitarbeit der Schüler mit „schnell herstellbaren mathematischen Modellen aus Holzstäben und Plastilin“ gefördert sowie die mathematische Sammlung ausgebaut werden. Bei den von ihm besuchten Lehrproben in Physik, die hauptsächlich auf Schülerübungen aufgebaut waren, beurteilte Maey den Erfolg des Arbeitsunterrichts als „vielfach recht zweifelhaft“. Nur eine „straffere Form und gute Vorbereitung“ garantiere, dass solche Übungen auch in einer Stunde „zu Ende geführt werden“ könnten.

Die Fachkonferenz Naturwissenschaften unter Vorsitz von Maey kritisierte 1929 die Stundenverteilung der drei Fächer auf die einzelnen Klassen: Bei der Kürzung der Biologie von früher Sexta bis Obertertia (Klassen 5 bis 9) auf Sexta bis Quarta (Klassen 5 bis 7) könne die Stofffülle der Richtlinien höchstens zur Hälfte bewältigt werden, wenn dies vor allem in einem Arbeitsunterricht geschehen solle. Insbesondere die gewünschte Erweiterung der Pflanzen- und Tierkenntnisse komme immer zu kurz. Nach dreijähriger Unterbrechung Untertertia bis Untersekunda (Klassen 8 bis 10) sei das meiste vergessen, und für das halbe Jahr in Obersekunda (Stufe 11) müsse Vieles nachgeholt werden. Nicht ganz so nachteilig gehe es der Physik, deren Anfangsunterricht in Unter- und Obertertia (Klassen 8 und 9) gut platziert sei, im zweiten Halbjahr der Obersekunda. Die Konferenz schlug vor, „zum Zwecke des Arbeitsunterrichts“ beide Fächer abwechselnd mit einer Doppelstunde zu unterrichten. Die Ausdehnung des Chemieunterrichts auf ein ganzes Jahr in Untersekunda (Klasse 10) habe sich genauso bewährt wie die Beschränkung auf einige nach Wahl besonders zu behandelnde Teilgebiete der Physik in Unter- und Oberprima (Stufe 12/13).

6.4.4 Der Geschichtsunterricht: „Erziehung zum staatsbürgerlichen Geist“