6.4.5 Auswirkungen der politischen Radikalisierung: Verbot „staatfeindlicher Tätigkeiten“

Inwieweit die zunehmende politische Radikalisierung sich auch auf die Mentalität der Schülerschaft auswirkte, lässt sich aus den Konferenzprotokollen nicht ermitteln. Nur einmal musste 1929 die Tat eines Oberprimaners (Stufe 13), Mitglied einer NS-Jugendorganisation, behandelt werden, der – gemäß der Anzeige eines Oberlandjägers – während seines Ferienaufenthaltes in Brandenburg „an dem Herunterholen einer schwarz-rot-goldenen Fahne beteiligt“ gewesen sein sollte. Die Vernehmung des Schülers durch den Schulleiter ergab erhebliche Widersprüche zu den Angaben des Landjägers, so dass die Konferenz vorläufig von einem Verfahren absah und Weisungen der vorgesetzten Behörde abwartete; die „viertel Freistelle“ (entsprechende Ermäßigung des Schulgeldes) bekam der Schüler allerdings entzogen. Da die Staatsanwaltschaft nach einem halben Jahr das Verfahren „mangels Beteiligung“ des Schülers einstellte, betrachtete die Konferenz – einstimmig – die Angelegenheit als erledigt.

Einen Monat später sah sich der Schulleiter anlässlich einer erneuten Verfügung des PSK veranlasst, die Klassenlehrer zu bitten, in sämtlichen Klassen darauf hinzuweisen, dass den Schülern jede Teilnahme an Versammlungen, Parteien und Vereinen untersagt sei, „die sich geghttp://koetting-bg.de/wp-admin/edit.php?post_type=pageen den Staat und die bestehende Staatsordnung“ richteten. „Zweifelhafte Fälle“ sollten ihm umgehend mitgeteilt werden. Wieder zwei Monate später ließ der Schulleiter die Schüler darauf hinweisen, dass es „streng verboten“ sei, „irgendeine Schußwaffe mit in die Schule zu bringen“. Im Herbst 1931 wurde das Verbot des Tragens von „Abzeichen“ durch die Schüler auf alle Abzeichen, auch auf das Reichsjugendabzeichen, ausgedehnt. Aus der Tatsache, dass z. B. die Mitgliedschaft eines Schüler in der Hitlerjugend seit November 1932 dokumentiert ist und schon im Frühjahr 1933 in der Schülerschaft einige überzeugte Anhänger des Regimes „systemtreue“ Lehrer und Mitschüler bekämpften wollten, muss auch bei einigen Schülern auf die Anziehungskraft des nationalsozialistischen Gedankengutes geschlossen werden. Bei der übergroßen Mehrheit scheint die rechtsradikale Propaganda – angesichts der Einstellung von Schule und Elternhaus – wirkungslos geblieben zu sein.

6.4.6 Die freien Unterrichtsveranstaltungen: Ein vielfältiges Angebot der Schule