6.5 Sexuelle Aufklärung: „In erster Linie Sache des Elternhauses“

Die Lösung der Frage der „sexuellen Aufklärung der Jugend“ war ebenfalls Bestandteil der Reformbestrebungen. Der Minister hatte sogar ein Buch herausgegeben: „Sittlichkeitsvergehen an höheren Schulen und ihre disziplinare Behandlung“, das als Grundlage für „Verhandlungen in Konferenzen“ dienen sollte, über die jeweils ein Bericht geschrieben werden musste. Das Kollegium beriet mehrmals über diese Frage zwischen Ende 1927 bis Ende 1929. Grundsätzlich war man sich darin einig, dass sexuelle Aufklärung „in erster Linie Sache des Elternhauses“ sei. Um den Eltern Hilfe bei „dieser schwierigen Aufgabe“ zu geben und ihnen Wege aufzuzeigen, wie die Aufklärung erfolgen könne, wollte man sich auch auf kleine Schriften der beiden Kirchen stützen: Pastor Hoppe hatte „Elternbriefe“ herausgegeben und die katholische Schulorganisation zwei Heftchen erscheinen lassen, „eines für Knaben und eines für Mädchen“. „Damit sich die Herren ein Urteil“ bildeten, verteilten die Religionslehrer das Material an die Kollegen, anschließend auch an die Eltern. Man kam überein, auf deren Wunsch hin die Aufklärung auch von einem Lehrer, möglichst von dem Religionslehrer, vornehmen zu lassen, „wenn er sich dazu imstande“ fühle. Eine rein „verstandesmäßige Belehrung in sexuellen Dingen“ vor versammelten Schülern, etwa „von ärztlicher Seite“ oder von „Professoren“ „außerhalb der Schule“, fand einstimmige Ablehnung, wenn nicht der Religionslehrer die notwenige Aufklärung leiste (die er in diesem Falle zusicherte). Der katholische Geistliche riet den Kollegen, „nicht in übergroßer Nervosität so viel von diesen Dingen“ zu reden. Die Hauptsache sei „die Stärkung des Willens und die Achtung vor sich selbst, die der Jugendliche sich bewahren müsse“. Das Kollegium gab sich schließlich Leitlinien, „wie die Willensbildung in der Schule gepflegt werden“ könne.

Nach zweijähriger Diskussion im Kollegium kam der Schulleiter Ende 1929 von der Beratung der Rheinischen Direktorenkonferenz über „sexualpädagogische Aufgaben der höheren Schule“ etwas ratlos zurück: Er habe den Eindruck, dass „alles fließt“. Jedenfalls gab er dem Kollegium die Richtung vor: „Die richtige religiöse Erziehung“ halte er „nach wie vor für das beste Mittel“; Elternversammlungen seien ebenfalls von Nutzen. Daraufhin beschloss das Kollegium die Anschaffung einer „kleinen Bibliothek für die Eltern, aus deren Büchern sie sich Rat holen“ könnten.

Sehr differenziert und vorsichtig wollte der Schulleiter bei der „disziplinaren Behandlung“ von „Sittlichkeitsvergehen“ vorgehen: Man sollte solche Fälle zunächst vor ein kleineres Gremium bringen und erst dann, wenn der Schüler oder die Eltern dessen Entscheidung nicht akzeptierten, vor die Gesamtkonferenz. Ein „wegen sittlicher Vergehen Verwiesener“ könne nach drei Jahren ein Zeugnis ohne Betragensnote erhalten, wenn er „eine einwandfreie Führung“ während dieser Zeit nachweise. Das Kollegium gab sich daraufhin entsprechende Leitlinien.

6.6 „Überfüllung“ der höheren Schulen und bessere Begabtenförderung