8.2 Ideologische Ausrichtung von Unterricht und Schulleben

Im Einvernehmen mit der Partei folgte ihm am Beethoven-Gymnasium bis 1945 Matthias Bös, der am 13. Mai 1935 erstmalig die „Schulgemeinde“ in der Aula begrüßte und mit Wirkung vom 1. Oktober 1936 die endgültige Übertragung der Schulleitung durch den Minister erhielt. Bös, Kriegsversehrter des Ersten Weltkrieges, galt als „alter Kämpfer“, der einige Zeit vor der „Machtergreifung“ in die NSDAP eingetreten war. Nach übereinstimmenden Berichten aller Ehemaligen profilierte er sich im Innenleben der Schule nicht als äußerst konsequenter Anhänger der NS-Ideologie. Auch ehemalige Kollegen bescheinigten ihm nach 1945, Gymnasium und Lehrerschaft „ohne Kompromisse gegenüber den Nationalsozialisten klug und aufrichtig“ geführt zu haben. Die Berichte, die ein Spitzel im Kollegium der Kreisleitung der Partei lieferte, sollen dies bestätigt haben. Eine Namensänderung der Schule jedenfalls, in dieser Zeit ein häufiges Anliegen der überzeugten Parteimitglieder, hat Bös, der auf Bewahrung der Tradition und des Niveaus bedacht war, stets abgelehnt und dies auch durchgesetzt.

 

Der seit dem 4. Februar 1933 tätige B. Rust, preußischer Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung (ab 30. April 1934 auch Reichsminister) führte den Zentralismus im Schul- und Hochschulwesen ein und entzog den Ländern die Schulhoheit, um eine „totalitäre“ Erziehung von der Volks- bis zur Hochschule durchzusetzen. Von Beginn an versuchten Parteigremien und die vorgesetzte Behörde mit einer Flut von Erlassen, Vorschriften, Leitsätzen und Richtlinien (auf manchen der häufigen Konferenzen der ersten Jahre musste der Schulleiter 30 bis 40 Erlasse besprechen) eine ideologisch ausgerichtete Gestaltung des Unterrichts herbeizuführen, um die Schüler „im nationalen Sinne“ zu erziehen.

Die schulinternen Lehrpläne hatten die Lehrer nach den neuen Prinzipien „Nationalismus“, „Rassenkunde“ und „Führertum“ auszurichten. Neben Schulfunk- und besonderen „Schulfunkfeierstunden“ sollten regelmäßige Schulungsstunden (Staatsjugendtag) über aktuelle politische und ideologische Fragen und die neue Staatsauffassung gehalten werden – für Mittel- und Oberstufe in Form eines Unterrichts, für Sexta bis Untertertia (Klasse 5 bis 8) gemeinsam in der Aula. Jeder Lehrer war zu einer solchen Stunde verpflichtet, so dass ein erheblicher Aufwand für einen „festen Arbeitsplan“ nach abgesprochenen „Leitlinien“ betrieben werden musste. Die Schule wechselte dabei Tag und Stunde, damit nicht immer die gleichen Fächer betroffen waren. Gleichwohl musste sich die Konferenz schon nach einem Jahr mit den „Auswirkungen des Staatsjugendtages auf die Klassenleistung“ befassen.

Nichtarische Schüler“ konnten auf „Wunsch“ [!] der Stunde fernbleiben; ein Erlass regelte eigens die „Erziehung zur nationalsozialistischen Weltanschauung bei Gegenwart von Nichtariern“. Auf wie viele Schüler das auf dem Beethoven-Gymnasium zutraf, lässt sich nicht mehr ermitteln (nach der Statistik aus der Weimarer Zeit müssen es nur sehr wenige gewesen sein). Jedenfalls versuchten die Nationalsozialisten schon sehr früh, jüdische Schüler aus dem Klassenleben und den Klassenveranstaltungen auszuschließen. Seit 1934 durften sie nicht mehr an Schullandheimaufenthalten teilnehmen. Eine Nichtzulassung zur Reifeprüfung konnte immer drohen. Den endgültigen Ausschluss jüdischer Schüler regelten zahlreiche Erlasse nach dem Pogrom am 9. November 1938. Ein Ehemaliger aus der damaligen 8. Klasse (Stufe 12) erinnerte sich, nach dem 10. November einen jüdischen Mitschüler der Parallelklasse nicht mehr gesehen zu haben.

 

Einen noch größeren Aufwand bedeutete für die Schule die Einführung der dreiwöchigen „nationalpolitischen Lehrgänge“ in Jugendherbergen und Schullandheimen der Umgebung, zunächst für die Oberprimen (Stufe 13), seit 1935 für die Sekunden und Primen (Klassen 10 bis 13) (in der Regel auf Kosten der Eltern), so dass während dieser Zeit jeweils acht begleitende Lehrer im Unterricht vertreten werden mussten (die Teilnahme an diesen Lehrgängen hatte Vorrang vor allen HJ- oder SA-Veranstaltungen). Weiteren Ersatz erforderte die Teilnahme anderer Kollegen an nationalpolitischen Lehrgängen für Lehrer.

Da der neue Schulleiter das „Erlebnis des deutschen Menschen in seinem Lebensraum“ als Hauptziel der Schülerkurse vorgab, sollten sie intensiv „erdkundlich-volkskundlich, sinnlich-sportlich und erziehlich“ vorbereitet werden. Auf die besondere Beachtung der „Lagerzucht“ musste er wiederholt hinweisen. Nach der Rückkehr hatten die Teilnehmer den Mitschülern in der Aula über das Lagerleben zu berichten. Auf den Konferenzen folgten jeweils Schilderungen über die einzelnen Lehrgänge, über Unterkunft, „Gesundheitszustand, Beschäftigung, Eindrücke und besondere Erlebnisse“. Sodann beurteilten die Lehrer „Verhalten und Bewährung der Schüler“ und besprachen Fragen, „wie das Erlebte für den Unterricht ausgewertet werden“ konnte. Um die ideologische Ausrichtung zu intensivieren, wurden die nationalpolitischen Schulungslehrgänge seit 1936 vom Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) durchgeführt. Gleichzeitig erging die Anweisung, Beamte sollten ihre Kinder „öffentlichen Schulen anvertrauen und nicht in Kuratorien privater Schulen wirken“. Im Rahmen der vormilitärischen Ausbildung wurden schließlich größere Übungen in kampfähnlichen Situationen abgehalten, die die „wehrhafte Gemeinschaftserziehung“ der Schüler abrundeten.

 

Bös empfahl auch den Schülern, ihre Ferien in dem von den Alten Herren des Gymnasial-Turnverein (GTV) errichteten Landheim in Gemünd in der Eifel zu verbringen. Viele folgten dem Rat, auch wenn damals die Ausstattung – ohne fließendes Wasser – noch recht spartanisch war, und das Wasser für Haushalts- und Küchenzwecke mit einem Leiterwagen von einer 30 Meter unterhalb des Hauses gelegenen Pumpe geholt werden musste, die gleichzeitig der morgendlichen Waschgelegenheit diente. Die Aufsicht führten häufig Oberstufenschüler, darunter auch aktive oder ehemalige Mitglieder des „Bundes Neu-Deutschland“, die Wanderungen organisierten und mit ihren bündischen Liedern und Geschichten abends die Jüngeren unterhielten.

8.3 Die Hitlerjugend (HJ) als „konkurrierende Erziehungsinstanz