8.4 Schulveranstaltungen zur Festigung des „neuen Geistes“

Seit 1935 unterbrachen in zunehmendem Maße ideologisch ausgerichtete Veranstaltungen in Form von Rundfunkansprachen, Vorträgen, Filmen usw. den normalen Rhythmus des Unterrichtsalltages. Zur Teilnahme an den „hochoffiziellen“ Feiern (meist in der Aula) – auch an schulfreien Tagen – waren Lehrer und Schüler verpflichtet. Den Anfang machte der 30. Januar, der „Tag der Machtergreifung“, an dem auch meistens der Gründung des „Zweiten Reiches“ (18. Januar 1871) gedacht wurde; nach dem Orchesterspiel sangen alle gemeinsam den „Fahneneid der HJ“ (2 Strophen) und „Hört ihr es grollen durch Straßen und Gassen“ (1 Strophe). Zum „Heldengedenktag“ (Volkstrauertag), in der Regel der zweite oder dritte Sonntag im März, fand tags zuvor in der Aula eine „Heldengedenkfeier“ statt: Das gemeinsame Lied „Der Tod in Flandern“ und Händels „Largo“ des Schulorchesters umrahmten die Ansprache eines Lehrers. Seit 1940 gewann dieser Tag zunehmende Bedeutung, ergänzt durch häufiger sich wiederholende „Gedächtnisfeiern“ für den „Heldentod“ von Mitschülern, ehemaligen Schülern sowie von Lehrern (Trauermarsch von Beethoven, Ansprache des Direktors, das Lied vom „guten Kameraden“, Ende der Gedenkstunde durch das Deutschlandlied). Der 20. April, „Führergeburtstag“, wurde in der Regel mit Gesang und Orchesterspiel in der Aula gefeiert. 1936 gingen alle Schüler nach der zweiten Stunde zur Parade zum Frankenplatz. Am 1. Mai trafen sich Lehrer und Schüler morgens auf dem Hof, um dann „geschlossen“ zu dem jeweiligen Versammlungsort zu „marschieren“.

Darüber hinaus gab es noch eine Reihe anderer regelmäßiger ein- bis zweistündiger Veranstaltungen in der Aula: die „volksdeutsche Feierstunde“ im September zum „Tag des deutschen Volkstums“; der 9. November („Hitlerputsch“ 1923 in München); der „Tag der Hausmusik“ im November; die „Feierstunde des VDA“ (Verein der Deutschen im Ausland); seit 1939 die Verabschiedung der Schüler zum Wehrdienst. Ab 1936 häuften sich Vorträge (meist für die Mittel- und Oberstufe) über die ehemaligen Kolonien in Afrika, aber auch über die „Wehrtradition der Deutschen im Südosten“, ergänzt seit 1937 durch Werbeveranstaltungen für die Oberstufe von Vertretern des Heeres, der Marine und der Luftwaffe.

Der Rundfunk gewann zunehmend an Bedeutung, auch die Schüler propagandistisch zu beeinflussen, zumal in den ersten Jahren der NS-Zeit nur ein Teil der Eltern ein Gerät besaßen. Besondere Ansprachen Hitlers, Görings und anderer Parteigrößen oder Reportagen zu wichtigen politischen Ereignissen (z. B. Ergebnis der Saarabstimmung 1935, Eröffnung des „Winterhilfswerkes“ 1935, Kundgebungen vom Nürnberger „Reichsparteitag“ 1936, Empfang der „Legion Condor“ 1939, usw.) hörten Lehrer und Schüler gemeinsam in der Aula. Nach dem abgeschlossenen Überfall auf Polen wurden die Schüler am 6. Oktober 1939 nach der vierten Stunde sogar nach Hause geschickt, um die „Führerrede“ vor dem Reichstag hören zu können, – ein Indiz, dass wohl die meisten Haushalte einen Volksempfänger besaßen; „Schüler mit schlechten Zugverbindungen“ sollten zu einem Klassenkameraden in Bonn gehen.

Der Besuch der „nationalpolitischen“ Filme, für Schüler und Lehrer „streng verpflichtend“, spielte seit 1935 eine immer größere Rolle: – 1935 „Triumpf des Willens“ und „Hände am Werk“, dieser „ein hohes Lied der deutschen Arbeit“: Er führte „in die Schächte, an die Hochöfen, zum Bau der Autobahnen“, er zeigte „den Bauern, den Winzer, den Flößer, den Handwerker bei der Arbeit“. Die Schüler sollten das „einige Zusammenwirken der schaffenden Hände zum Wohle des Vaterlandes“ sehen. Mit der Rede Hitlers zu den „schaffenden Deutschen“ schloss der Film. – 1936 „Choral von Leuthen“; – 1937 „Jugend der Welt“, „Sport und Soldaten“; „Verräter“; „Wolkenstürmer“; „Tag der Freiheit“; „Tannenberg“. – 1938 „Unternehmen Michael“; „Olympia“; – 1939 „Olympia“ (2. Teil); „Sudetendeutschland“; „Afrikaforschung“; – 1940 „Feldzug in Polen“; – 1941 „Der Sieg im Westen“. Um zu dem „Metropoltheater“ (Markt) und den „Kammerlichtspielen“ (Meckenheimer Straße) zu gelangen, mussten sich die Schüler – je nach Filmbeginn – nach dem Klingelzeichen auf dem Hof aufstellen und „in geschlossenem Zuge im Gleichschritt“ zum Kino gehen und „nachher ebenso zurück“. Den Klassen, „die etwa keine Marschordnung einhalten“ konnten, wollte Bös seine „Aufmerksamkeit zuwenden“.

 

Weitere vormittägliche Veranstaltungen „außer Haus“ waren Konzerte in der Beethovenhalle (für die Oberstufe), das „Deutsche Jugendfest“ (mit der abendlichen „Sonnenwendfeier“), Sportwettkämpfe, „Empfang der Wehrmacht“ oder etwa der „erste Spatenstich für das Jugendheim der Bonner HJ“ mit anschließender angeordneter Gedenkfeier (6. März 1936). Kamen wichtige Persönlichkeiten nach oder durch Bonn, mussten die Schüler „Spalier“ stehen: z. B. 1935 beim Besuch Görings die a-Klassen auf der rechten Seite, die b-Klassen auf der linken Seite der Poppelsdorfer Allee; 1936 bei Goebbels (ohne die jüngeren Schüler) und nochmals Göring; 1938 beim „Kommandeur der faschistischen Miliz“, General Russo (auf der Schulseite der Koblenzer Straße). Zur Begrüßung der „Schnellboote“ sollten sich die Schüler (20. Juli 1937) auf Wunsch des Oberbürgermeisters „spalierbildend am Rheinufer“ aufstellen (anschließend fiel der Unterricht „wegen der Hitze“ aus).

Darüber hinaus gab es unterrichtsfrei wegen der Reifeprüfungen, der Abiturientenentlassung, wegen zu großer „Hitze“ oder „Schwüle“ (Sommer 1936 und vor allem 1937), für wichtige Mitteilungen bzw. Anordnungen an alle Schüler in der Aula, – vornehmlich am letzten Schultag vor den Ferien mit anschließender „Flaggenehrung“ auf dem Schulhof. Es gab sogar 1939 schulfrei am Tag nach Himmelfahrt, weil die Lehrer „als Zähler“ für die Volkszählung tätig waren.

Dass bei den vielen „Außeneinsätzen“ Schüler sich auch schon einmal heimlich aus der Gruppe „verabschiedeten“, sollte nicht weiter verwundern. Ganz empört schrieb der Schulleiter am 20. April 1936 in das Mitteilungsbuch: „Ich habe von dem unglaublichen Verhalten einiger Schüler gehört, die sich bei früheren gemeinsamen Abmärschen zu Rad oder zu Fuß einzeln entfernten. Ich werde gegen solche Leute auf das strengste vorgehen“. Auch schärfte er den Mitgliedern der HJ und des Jungvolkes ein, nicht „den Dienst als Ausrede“ zu gebrauchen, „um sich vor den Schularbeiten zu drücken“. Desgleichen versuchte er bei den vielen Sammlungsaktionen (z. B. für das Winterhilfswerk) die Aufgabenfreiheit mit der Anweisung einzuschränken: „Wenn der Dienst noch Zeit zur Arbeit läßt, wird die Arbeit, soweit es möglich ist, erledigt. Das grundsätzlich für alle Fälle“.  

 

Selbst wenn bei den vielen Veranstaltungen vorher und/oder nachher noch Unterricht stattfand, so litten nicht nur einige Fächer besonders unter punktuellem Ausfall, sondern auch Konzentration und Aufmerksamkeit der Schüler bei den häufigen Unterbrechungen. Die Lehrer kämpften mit der Schwierigkeit, die Stoffpläne zu erfüllen, zumal sie im Anschluss an die Rundfunkübertragungen, Vorträge und Filme im Unterricht das jeweilige Thema noch einmal „auswerten“ mussten. So sollte z. B. 1933 die Behandlung „auslandsdeutscher Fragen“ in Deutsch, Religion, Geschichte, Erdkunde und in den neueren Sprachen vorgenommen werden. 1934 mussten drei Monate lang je drei Klassen gleichzeitig den Stoff für die „Saarfrage“ (Abstimmung für Deutschland oder Frankreich) in Deutsch, Erdkunde und Geschichte durchnehmen. Im Mai 1937 ordnete der Schulleiter an, „den Muttertag in den Deutschstunden in der herkömmlichen Weise zu begehen und dabei neben Würde und Wert der Mutter“ auch die „fördernde Sorge des Staates um Mutter und Familie zu behandeln“. Für die Volksabstimmung am 10. April 1938 zur „Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich“ legte er auf den Konferenztisch eine Mappe mit entsprechendem „Material“, mit dem „in allen Stunden in diesem Sinne“ zu arbeiten war.

Der Erlass vom 16. April 1940 verpflichtete „sämtliche Lehrer“, die Übertragung der „14tägigen Ansprachen“ (von Parteigrößen) mit den Schülern in der Aula zu hören und anschließend im Unterricht „auszuwerten“. Anlässlich der Ausstellung „Seefahrt ist not!“ im März 1941 bat Bös die Kollegen, „im Unterricht, namentlich in Deutsch und Geschichte, den Seefahrtsgedanken“ durchzusprechen. Neben einer „Auswertung in Aufsatz und Lehrgespräch“ sollten noch in Frage kommen: „Vorträge von Lehrern und Schülern, Zusammenfassung von Lesestücken und Gedichten nach dem Lesebuch und anderen Quellen, freie Berichte über Seefahrten, Bastelarbeit, Dienste in der Marine-HJ, usw.“

Eine solche „Indienstnahme“ (Bölling) des Unterrichts durch das Regime spiegelte sich auch in den Abiturthemen für den Deutschaufsatz wider, der vorher in Deutsch, Geschichte oder Biologie der Abschlussklasse entsprechend vorbereitet worden war: „Die Volksgemeinschaft in ihrer Bedeutung für den Staat“ (Herbst 1934); „Vom deutschen Partikularismus zur nationalen Einheitsfront“ (Herbst 1935); „Wie sucht unsere Staatsregierung die deutsche Wirtschaftskrise zu überwinden“ (Herbst 1936); „Leben als Kampf“; „Arbeit als Dienst“; „Auslandsdeutschtum als Aufgabe“ (Herbst 1937); „Was tat der nationalsozialistische Staat für die Erziehung des deutschen Menschen?“ (Herbst 1938); „Hans Grimmes ‚Volk ohne Raum’, ein Buch von deutscher Not und deutscher Wandlung“, – um nur einige Beispiele damaliger „Gesinnungsbildung“ zu nennen.

8.5 Neugliederung des Schulwesens 1937/1938: Das altsprachliche Gymnasium als Sonderform der „Deutschen Oberschule