8.6 Der „deutsche Mensch“ im Geist des „neuen Deutschlands“ als Ziel des Unterrichts

Auf den folgenden Konferenzen stellte Bös den „neuen Geist als das Wesentliche der Reform“ heraus und gab für die Unterrichtspläne allgemeine Grundsätze vor:

„I. Äußerlich geboten: Stoffbegrenzung und Auswahl. Besonders in den oberen Klassen alles Entbehrliche fortlassen.

  1. Innere Ausrichtung: Der deutsche Mensch im Geist des neuen Deutschlands;
  2. a) es kommt auf das Wie an, nicht auf das Was,
  3. b) es ist aber nötig, mit den Lebenden Schritt zu halten. Das gute Alte muß in neuer Sicht geboten werden, manches Alte aber muß verschwinden, um gutem Neuen Platz zu machen“.

Wegen der verringerten Stundenzahl sollten die Kollegen vorsichtig bei der Belastung der Schüler sein: „Helfen und aufmuntern, nicht meckern und niederdrücken, aber unbedingte Ehrlichkeit“ gab der Schulleiter als Motto aus. Seit Ostern 1939 musste darüber hinaus das Beethoven-Gymnasium eine Eingangsklasse der überfüllten städtischen Oberschule (heute Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium, mit Englischbeginn) übernehmen, bei der auf der ersten Zeugniskonferenz sämtliche Lehrer zu der Überzeugung kamen, dass die Leistungen der Schüler „erheblich unter den Leistungen der beiden (BG) Parallelklassen bzw. der sonst in den 1. Klassen gewohnten Leistungen“ lägen.

 

Den am Beethoven-Gymnasium tätigen Referendaren bescheinigte Bös zwar eine „meist sehr gute“ wissenschaftliche Ausbildung, doch zeigten sich „infolge zu spezialisierter Ausbildung“ im Unterricht „große Lücken“. Diese galt es im ersten Jahr zu schließen, wobei er empfahl, „Hitlers ‚Kampf’, Rosenbergs ‚Mythos’ und das Werk eines bedeutenden Erziehers“ für die Unterrichtsvorbereitung näher zu behandeln. Bei der gleichzeitigen Neuordnung der wertvollen Bibliothek, in die sich, ohne Verschulden des jetzigen verantwortlichen Kollegen, „Mißstände im Laufe der Jahrzehnte“ eingeschlichen hätten, sollte auf Anweisung von Bös „ausgeschieden werden, was nicht hingehört“; „historische und neuzeitliche Werke“ mussten getrennt stehen. Voller Selbstbewusstsein konnte Bös Anfang November 1938 eine Buchausstellung in der Schule präsentieren, die einen „fast geschlossenen Kreis der humanistischen Schulbildung seit Mitte des 15. Jahrhunderts“ (General-Anzeiger 2. November 1938) darbot.

Zur „Woche des Buches“ 1940 mit dem Motto „Buch und Schwert“ ließ Bös in Vitrinen Frühdrucke „aus den Anfängen der Buchdruckerkunst“ (u. a. Albertus Magnus 1477, Streitschriften von Luther) und alte illustrierte Ausgaben von lateinischen und griechischen Klassikern ausstellen. Auf den Auslagetischen war unter dem Titel „Der Kampf des deutschen Buches“ u. a. zu sehen: 1. „Heldenkampf der germanischen Ahnen und der deutschen Ritterzeit. 2. Das ruhmreiche preußische Heer und der Freiheitskampf. 3. Der Heldenkampf des deutschen Volkes … 6. Wehrwissen und Wehrwillen … 8. Erziehung zur Leibestüchtigkeit und zum Nationalsozialismus“. Nicht minder stolz schrieb Bös am 15. Oktober 1941 in das Mitteilungsbuch: „Heute vor 50 Jahren fand der festliche Einzug in dieses Haus statt“. Im Anschluss an eine Feierstunde in der Aula durften die einzelnen Klassen im Zeichensaal eine Ausstellung besichtigen, die „Erinnerungen aus diesen 50 Jahren“ zeigte.

 

Bei der Umsetzung der Reform und der Ausarbeitung neuer Anstaltslehrpläne bat der Schulleiter die Kollegen um „kameradschaftliche Zusammenarbeit“, an der es nach seinem Selbstverständnis offenbar haperte. Um die Stimmung zu verbessern und eine allgemeine Akzeptanz des „neuen Geistes“ zu erreichen, versuchte er bei jeder sich bietenden Gelegenheit „Kameradschaftsabende“ (in der „Lese“ oder im Gasthaus „Hähnchen“) abzuhalten, deren vollständige Teilnahme er als „Ehrensache“ ansah. „Persönliche Mißhelligkeiten“ dürften „niemals den dienstlichen Verkehr und auch nicht den gleichfalls für den Dienst richtigen geselligen Verkehr stören“. Mit großem Missfallen beobachtete er das Fehlen einiger Kollegen bei der „Flaggenehrung“ auf dem Schulhof (z. B. am letzten Schultag vor den Ferien); die Teilnahme sei eine dienstliche Verpflichtung. Von 1938 an sprach er keine Beurlaubung mehr von „nationalen Feiern“ aus. Zu Beginn des Krieges erwartete er vom Kollegium, dass die „opferfreudige Bereitwilligkeit der Amtsgenossen alle in der Kriegszeit auflaufenden Schwierigkeiten überwinden“ werde.

8.7 Schulalltag unter den Bedingungen des Krieges