9.1.3 Ständige „Störungen des Unterrichtsbetriebes“

Nachdem schon im Dezember 1945 der Unterricht wegen fehlender Kohlen kaum noch aufrecht erhalten werden konnte, nahm die Schwierigkeit, die Schule einigermaßen ausreichend zu heizen, in dem überaus kalten Winter 1946/47 immer mehr zu; es war des Öfteren so kalt in einzelnen Räumen, dass „Lehrer und Schüler in Oberkleidung dasaßen“. Ehemalige berichteten von den Versuchen eines Lehrers, mit den Schülern in der Stunde „um das Viertel zu spazieren, damit es etwas wärmer wurde“. Das Kollegium forderte eine „bevorzugte Belieferung“ von Kohlen, „nicht nur im Interesse einer steten Fortführung des Unterrichts, sondern auch um der Jugend wenigstens in der Schule einen warmen Aufenthalt zu bieten“. „Infolge Kohlenmangels“ fiel Anfang Februar 1947 der Unterricht für eine Woche aus.

Die zu geringe Zahl an Arbeitskräften in der Holzwirtschaft drohte zeitweise den (mit Holzgas angetriebenen) LKW-Verkehr und damit die Versorgung der Bevölkerung lahm zu legen. Mitte Februar 1947 sollten daher Schüler Bonner Schulen als Arbeitskräfte angeworben werden, um das im Kottenforst geschlagene und geschnittene Holz abzutransportieren. Ganze Klassen älterer Schüler meldeten sich für eine Woche, um bei klirrender Kälte das Holz von den Lagerplätzen zu einem Sammelplatz zu tragen und dort auf Loren einer Feldbahn zu schichten, diese zur Straße zu schieben und das Holz auf Lastwagen zu stapeln. Als Belohnung winkten eine warme Mittagsmahlzeit, zusätzliche Lebensmittelkarten für Schwerstarbeiter und ein Gutschein für drei Zentner Brandholz (für den geringen Lohn hingegen konnte man nichts kaufen). Ende des Jahres 1947 befürchtete das Kollegium, „zu einer besorgniserregenden Gefahr“ drohe sich „im kommenden Winter der Mangel an Kleidern und besonders an Schuhen auszuwachsen“.

 

Nicht nur fehlende Kohle im Winter und Stromausfälle führten zu „Störungen des Unterrichtsbetriebes“. Eine „besondere Belastung“ bedeuteten auch die regelmäßig stattfindenden Prüfungen (Graecum, Latinum, externe Prüfungen, schriftliche und mündliche Reifeprüfungen für Nichtschüler und Sonderlehrgänge), da die beteiligten Lehrer vertreten und Schulklassen wegen Raummangels nach Hause geschickt werden mussten. In solchen Zeiten hatten alle Lehrer in der ersten Stunde anwesend zu sein und sich „verfügbar“ zu halten. „Noch größere Störungen“ brachte die „dauernde Inanspruchnahme“ für die Ausbildung und Prüfung der Studienreferendare mit sich; „Die von Schülern und Lehrern stark empfundene und von Eltern oft gerügte Schädigung des Unterrichts“ hielt die Schule für „beträchtlich und besonders groß“.

Die Schulleitung wehrte sich auch gegen die „vielfache Inanspruchnahme“ von Oberstufenschülern „durch amtliche Stellen für außerschulische Zwecke“: „Die Heranziehung der Schulen zu Volks- und Wohnungszählungen, zu Sammlungen aller Art, zur Enttrümmerung oder zu sonstigem Einsatz, der mit Störung des Unterrichts verbunden“ war, sei „grundsätzlich abzulehnen“. Die schlechten Lebensbedingungen, Unterernährung und die beengten, oft provisorischen Wohnungsverhältnisse beeinträchtigten ebenso die Leistungsfähigkeit der Schüler wie Papier- und Büchermangel sowie außerschulische Aktivitäten.

Viele waren gezwungen, Nebenverdienstmöglichkeiten zur Lebensmittelbeschaffung wahrzunehmen (Altmetallsammeln, Möbeltransport bei der belgischen Besatzungsmacht, Bewachungsnachtdienst in der amerikanischen Siedlung, Feldarbeit auf dem Versuchsgut der Universität, Holzschlagen im Kottenforst, usw.) Die Schule konnte immer nur vor den „moralischen Gefahren des Schwarzmarktes“ warnen, der aber bis zur Währungsreform 1948 für nicht wenige einen Teil ihres persönlichen Existenzkampfes ausmachte. Auch kurz nach der Geldumstellung waren eine Reihe Schüler der Oberstufe nicht in der Lage, ohne Unterstützung weiter auf der Schule zu bleiben; sie erklärten sich bereit, in ihrer Freizeit zusätzlich „Arbeit körperlicher oder geistiger Art“ zu leisten. Hier zu helfen, war für Schümmer in erster Linie eine „Sache der Schulgemeinschaft“; er appellierte an die Eltern, solche Arbeitsmöglichkeiten – auch in Form von Nachhilfeunterricht – täglich für ein paar Stunden zur Verfügung zu stellen.

9.1.4 Schulspeisung aus dem großen Suppenkübel