9.1.6 Leistungs- und altersmäßige Heterogenität der Klassen

Kriegsbedingt war auch die leistungs- und altersmäßige Heterogenität der Klassen. Mit zunehmendem Kriegsverlauf hatte es immer frühere Einberufungen zum Wehrdienst und zu einem „System von behelfsmäßigen Abschlüssen und Berechtigungen“ gegeben. Zum Schluss leisteten sogar Schüler der damaligen Klasse 5 (Klasse 9) Flakhelferdienste, für die ein geregelter Unterricht ebenso wenig möglich war wie für die verbliebenen Schüler durch häufigen Alarm und Luftangriff, so dass nach 1945 in den Klassen Schüler mit sehr ungleichmäßiger Vorbildung saßen. Um dem Abfall der schulischen Leistungen und vor allem der zunehmenden „Erosion“ in den Abiturfächern während der Kriegsjahre zu begegnen, achtete Schümmer zunächst darauf, dass die Lehrer die Anforderungen allmählich erhöhten, den Stoff strafften und eine „schärfere Sichtung von Klasse zu Klasse“ vornahmen.

Zu Weihnachten 1945 gab es keine Zeugnisse, Ostern 1946 keinen Versetzungsvermerk. Das knappe halbe Jahr wurde nicht als „Schulzeit“ angerechnet, sondern als „Eingewöhnungszeit“ angesehen, während der sich die Lehrer einen genaueren Überblick über den Kenntnisstand der Schüler verschaffen sollten In dieser Zwischenzeit musste geprüft werden, wer in die nächst höhere Klasse „steigen“ durfte oder sogar wegen unterdurchschnittlicher Leistungen zurückzustufen war. Dabei gab der Schulleiter die Devise aus, „Großzügigkeit“ walten zu lassen, auch wenn „Lücken“ vorhanden seien: Hauptsache der Schüler sei „gut veranlagt“ und zeige „Fleiß“. Bei bis zu einem Viertel der Klassen komme es nicht auf das Lebensalter an, sondern auf die „geistige Leistung“. Doch das Ziel, bis Ostern 1946 die „Klassenreife“ der einzelnen Schüler festzustellen und danach die Klassen endgültig zu bilden, konnte nicht befriedigend gelöst werden. In den meisten Klassen war der Stamm der alten Schüler gegenüber den „Gesprungenen, Rückversetzten und anderweitig Hinzugekommenen in der Minderheit“, so dass das Leistungsniveau sank. Das bisher geförderte „Springen“ wurde nun „gebremst“. Einwände von Eltern, es seien nur Schüler „gesprungen“, die durch Privatstunden gefördert worden waren, wies die Schule als „nicht stichhaltig“ zurück.

 

Die Verlängerung der Gymnasialzeit auf neun Jahre und die Umstellung des Schuljahrbeginns auf Ostern 1947 hatten ebenfalls weit reichende Folgen. Von Herbst 1946 bis Ostern 1948 musste in zweieinhalb Jahren der Lernstoff von drei Jahren durchgearbeitet werden, „wenn notwendig, unter Kürzung im Stoff der Realien“. Ostern 1947 und 1948 durfte in das nächstfolgende Jahr versetzt werden, – „unbeschadet der Tatsache, daß in den ersten Monaten nach der Versetzung noch der Lernstoff des vorhergehenden Lernjahres bearbeitet“ wurde. Wegen der Umstellung des Schuljahres kam der Beurteilung der Schüler von Januar bis zum 25. März 1947 besondere Bedeutung zu. Der Erlass vom 18. Dezember 1946 schrieb ausdrücklich vor, Schüler, die „wegen Mangel an Begabung und Fleiß“ das Klassenziel nicht erreichten, zu entlassen.

Schümmer wollte möglichst viele Unterlagen für die Versetzungskonferenzen durch Unterrichtsbesuche sammeln und bat die Kollegen, „vor allem schwächere oder zweifelhafte Schüler, nicht die ganz guten und nicht die ganz schlechten zu prüfen“. In den Fremdsprachen wollte er „Extemporierübungen“ (aus dem Stegreif) oder Wiederholungen in der Grammatik sehen und bat im Deutschunterricht, auf der Unterstufe Satzanalyse vorzunehmen „und damit zusammenhängend“ auf der Mittel- und Oberstufe Wiederholungsfragen aus dem Stoffgebiet des Jahres zu stellen. In Erdkunde, Biologie, Chemie und Physik sollten die Lehrer ebenfalls den ganzen Stoff berücksichtigen. In Rechnen und Mathematik mussten die Schüler selbstständig an der Wandtafel eine Aufgabe aus dem Jahrespensum lösen.

Nachdem nun die Klassen eine etwas dauerhaftere und gleichmäßigere Zusammensetzung erhalten hatten, wollte Schümmer mit dem Ende des Schuljahres und mit der feierlichen Verabschiedung der Abiturienten am 25. März 1947 deren Eltern und der Mittel- und Oberstufe in der Turnhalle (dem „Festsaal“) „einen Einblick in die Jahresarbeit der Schule“ geben: Er schlug vor, eine griechische Homerstelle zu „rezitieren“ oder , „falls eine Tragödie gelesen worden war, – einen Chorgesang daraus“; im Englischen könne eine Shakespeare-Szene „dialogisch gesprochen“ werden; andere Schüler sollten „über einen mathematischen oder naturwissenschaftlichen Zusammenhang nach eigener Ausarbeitung“ reden. Abschließend würde die beste Deutscharbeit der Reifeprüfung vorgelesen.

9.1.7 „Disziplinlosigkeiten“ gefährden die „Schulzucht“