9.3 Die Elly-Heuß-Knapp Schülerinnen als „Gäste“ im Beethoven-Gymnasium

Am letzten Schultag vor den Osterferien, Samstag 29. März 1952, mussten die Schüler mit ihren Klassenlehrern nach dem Gottesdienst solange in ihren Räumen bleiben, bis „der Herr Direktor sich persönlich von den einzelnen Klassen verabschiedet“ hatte: Die Behörde gönnte nunmehr dem bald 67jährigen Schümmer den Ruhestand. Am 31.März fand in der Aula der Clara-Schumann-Schule die offizielle Abschiedsfeier statt. Am Donnerstag, 17. April 1952 sollten sich nach dem Gottesdienst alle Schüler anschließend „in die Koblenzer Straße“ begeben.

Schümmers Nachfolger wurde Dr. Wilhelm Grenzmann, Mitglied des Kollegiums seit dem Wiederbeginn 1945 und seither seinem Vorgänger kollegial eng verbunden. Grenzmann, an der Ausbildung der nachfolgenden Lehrergeneration maßgebend beteiligt, war Fachleiter für Englisch, Deutsch und Philosophie, Mitglied mehrerer Prüfungsämter und schließlich einige Jahre Leiter des Studienseminars. Von seinen Kollegen „vir sapiens“ genannt, verfasste er viele Beiträge zur Methodik des Deutsch- und Philosophieunterrichts und veröffentlichte als Wissenschaftler maßgebliche Bücher seines Fachgebietes, so dass ihm schließlich eine Professur an der Bonner Universität übertragen wurde.

 

Grenzmann musste sich gleich nach seinem Amtsantritt mit dem Problem der ständig wachsenden Schülerzahl und der steigenden Klassenfrequenzen bei zu wenigen und oft zu kleinen Räumlichkeiten auseinandersetzen. Ostern 1953 waren in dem für 18 Klassen geplanten Gebäude 27 Klassen unterzubringen. Ein Jahr später besuchten 893 Schüler (je zur Hälfte katholisch und evangelisch; 20% waren „Flüchtlingskinder“) das Beethoven-Gymnasium, so dass auch bisherige Kellerräume genutzt wurden. 5 Räume im oberen Stockwerk des Vordergebäudes belegte außerdem das Studienseminar für Referendare an höheren Schulen, das erst 18 Jahre später auszog.

Der ständige Zuzug von Beamtenfamilien nach Bonn und Godesberg führte zu einer Überfüllung der höheren Schulen, die räumlich und pädagogisch untragbar wurde. Nach dem Nicolaus Cusanus Gymnasium in Godesberg kam es 1954 in Bonn zur Gründung von Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium II (Friedrich-Ebert-Gymnasium) und Clara-Schumann-Schule II, die den Namen Elly-Heuß-Knapp-Schule erhielt und auf Anordnung des Kultusministers – bis zur Fertigstellung eines eigenen Gebäudes in Kessenich – im Beethoven-Gymnasium untergebracht werden sollte. Dessen Schulpflegschaft protestierte zwar dagegen besonders unter dem Aspekt des drohenden erneuten Schichtunterrichts, doch der ungehaltene Kultusminister ermahnte Eltern und Schüler, „dankbar“ anzuerkennen, dass „ihr Gymnasium in so ausgezeichneter Ausführung wieder errichtet werden konnte“. Aus dieser Tatsache dürften sie keine „Sonderbehandlung herleiten“ und müssten die „gegebenen Notwendigkeiten hinnehmen“.

 

So nahm das Beethoven-Gymnasium Ende 1954 die Elly-Heuß-Knapp-Schule auf: Das an der Koblenzer Straße gelegene Vordergebäude samt der neuen Aula, die vormittags als Unterrichtsraum (und vom Jugendfilmring als Filmvorführungsraum) diente, der Verbindungstrakt und vier Klassen im ‚Rheingebäude fielen der Gastschule zu. Die in 27 Klassen eingeteilten 893 Beethoven-Schüler mussten sich in 14 Normal-, 5 Fach- und 5 „Noträumen“ hineinzwängen. Mehrere Räume waren ungeeignet, so 3 Keller- und 3 Sammlungsräume sowie ein kleines schmales Elternsprechzimmer, in dem die Schüler wegen der Enge im Sommer nur bei geöffnetem Fenster sitzen konnten. Am härtesten waren die Fächer Physik, Biologie, Chemie und Erdkunde betroffen, da sie ihre Räume verloren hatten. Die physikalische Sammlung und der Schülerübungsraum litten durch die Überbelegung. Lehrermangel und die Benutzung der Turnhalle mit 20 Wochenstunden durch die Gastschule schränkten den Sportunterricht stark ein, so dass nur die Hälfte der Soll-Stunden gegeben werden konnte. Auch die Musikerziehung war durch den Ostern 1954 eintretenden Schichtunterricht insofern beeinträchtigt, als Orchester und Chor in den Hintergrund treten mussten.

Da nämlich die zur Verfügung stehenden Klassenräume nicht ausreichten, war die Schule wieder zu dem ungeliebten Nachmittagsunterricht für 20 Klassen gezwungen, diesmal für Sexta bis Untersekunda (Klassen 5 bis 10) dergestalt, dass jeweils eine Klasse pro Stufe abwechselnd nachmittags zur Schule ging. Die im Rheingebäude zusammengedrängten fast 1000 Schüler haben die „Aufrechterhaltung der Disziplin … außerordentlich erschwert“. Im Schuljahr 1955/56 musste auch die Gastschule zum Schichtunterricht übergehen, so dass das gesamte Gebäude vormittags und nachmittags ganz besetzt war.

Schon im Herbst 1956 konnten die Schülerinnen der Elly-Heuß-Knapp-Schule in ihr neues Domizil in Kessenich umziehen: Als „ungebetene Gäste“ des Beethoven-Gymnasiums waren sie, nach eigenem Bekunden, nie als „Eindringlinge … in fremdem Hause“ behandelt worden; sie fühlten sich wohl und genossen auch „viele Annehmlichkeiten des räumlichen Nebeneinander“.

9.4 Beethoven-Gymnasium – endlich „allein im Haus