10. Das Beethoven-Gymnasium in den 60er und 70er Jahren: Tradition und Kontinuität versus Wandel und Reformen

10.1.1 Schulleiterwechsel in einer Zeit des Umbruchs und der Reformen

Mit der Saarbrücker „Rahmenvereinbarung zur Ordnung des Unterrichts auf der Oberstufe des Gymnasiums“ (1960) verminderte sich die Zahl der Pflichtfächer, wobei für Unter- und Oberprima (Stufe 12/13) die vier Kernpflichtfächer auch gleichzeitig im schriftlichen Abitur verbindlich waren: im altsprachlichen Gymnasium Deutsch, Mathematik, Latein, Griechisch, – in seinem neusprachlichen Zweig stattdessen Französisch; im neusprachlichen Gymnasium Deutsch, Mathematik, zwei Fremdsprachen. Diese vier waren außerdem mögliche mündliche Prüfungsfächer, ein weiteres vom Schüler zu wählendes Fach aus den Primen und die für alle verbindliche Gemeinschaftskunde (Geschichte, Erdkunde, Sozialkunde). Nachdem mehrere neue Gymnasialtypen entstanden waren, beschränkte das „Hamburger Abkommen“ 1964 die Unterscheidung nach Schultypen auf die Oberstufe. Das humanistische Gymnasium zog ab September 1967 mit dem neusprachlichen gleich und ließ Griechisch als dritte Fremdsprache erst in Obertertia (Klasse 9) (10 Jahre nach dem Beginn von Französisch in OIII ) beginnen.

 

Nach 10 Jahren als Schulleiter des Beethoven-Gymnasiums trat Ende März 1962 Professor Dr. Wilhelm Grenzmann von seinem Amt zurück, um seine wissenschaftliche Tätigkeit nur noch an der Universität Bonn und der Pädagogischen Hochschule Neuß fortzusetzen. Sein Nachfolger, Dr. phil. habil. Heinrich Otto Schröder, schon acht Jahre Schulleiter des Stiftischen Gymnasiums in Düren, trat am 2. November 1962 sein neues Amt am Beethoven-Gymnasium an. Er hatte in München Kunstgeschichte, in Rom Philosophie und Theologie, später in Freiburg, Berlin und Gießen Griechisch, Latein und Deutsch studiert und nach dem Assessorexamen die wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen (Habilitierung), die durch den Einsatz während des ganzen Krieges beendet wurde. Nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft 1946 ging er in den Schuldienst zurück.

Mit und kurz nach Grenzmann verließen eine ganze Reihe Kollegen die Schule, um eine Schulleitung zu übernehmen, die Universitätslaufbahn einzuschlagen, in die Kommunalpolitik zu wechseln oder in den Ruhestand zu gehen. Eine neue Lehrergeneration bereicherte das Kollegium, darunter die einzige Kollegin; sie war „zur Deckung besonders des mathematischen Unterrichtsbedarfs“ an das Beethoven-Gymnasium versetzt worden und fühlte sich anscheinend „sehr wohl“, so dass sie auch dort bis zu ihrer Pensionierung blieb.

Schröder nahm sogleich die Idee Grenzmanns auf, 1964 das 325jährige Bestehen des Beethoven-Gymnasiums zu feiern und eine Festschrift herauszugeben. Ende 1963 ließ er eine Kommission einsetzen mit dem Auftrag, das genaue Gründungsjahr der Schule herauszufinden. Das Kollegium beschloss allerdings, auf eine Festschrift zu verzichten und das Fest „in Verbindung mit den Ehemaligen familiär“ zu begehen. Dabei sollte „in gebührender Form die Gedenktafel für die in den Weltkriegen gefallenen ehemaligen Schüler errichtet werden“. Doch Dr. Anton Henseler, maßgebendes Mitglied der Kommission und der „wohl beste Kenner der Bonner Stadtgeschichte“ im Kollegium, hielt das Gründungsjahr 1639 „für wissenschaftlich nicht genügend gesichert“ und plädierte dafür, in der 1673 von den Jesuiten übernommenen Schule eine „direkte Vorläuferin“ des Beethoven-Gymnasiums zu sehen. Auch im „Kunze“, dem Philologen-Jahrbuch, stand dies schon 1948 als Gründungsdatum. Doch Henseler starb völlig unerwartet in den Sommerferien 1964 und das Projekt wurde nicht weiter verfolgt.

Anlässlich der Vereinigung der „Ehemaligen“ am 26. September 1964 lud die Schule daher nur zu einem einfachen Schulfest ein. Das nunmehr akzeptierte 300jährige Schuljubiläum sollte, nach dem Willen der Schulleitung, erst in neun Jahren gefeiert werden. Dem heutigen Betrachter fällt auf, dass man sich zu früheren Zeiten anscheinend kaum Gedanken um ein Jubiläum des einzigen staatlichen humanistischen Gymnasiums in Bonn gemacht hatte, da es wohl jeglicher äußerer Legitimation entbehren durfte. Dagegen ist das Bedürfnis für eine Herausstellung der besonderen und traditionsreichen Rolle des Beethoven-Gymnasiums innerhalb des Bonner Bildungswesens gerade in dieser Zeit des Umbruchs und der Reformen nachzuvollziehen.

 

Vom Schuljahr 1959/60 bis 1964/65 gingen nämlich die Schülerzahlen am Beethoven-Gymnasium von 836 auf 634 zurück. Die Hauptursache lag sicherlich darin, dass in Godesberg zwei und in Duisdorf und Röttgen je ein Gymnasium gegründet wurden, um hauptsächlich die dort wohnenden Kinder der Bundesbeamten und Diplomaten aufzunehmen. Darüber hinaus entstand erstmalig auf der rechtsrheinischen Seite eine „Konkurrenz“: Ostern 1964 öffnete das Erzbischöfliche Gymnasium in Beuel seine Tore für Schüler, die die gleiche Sprachenfolge wie auf dem Beethoven-Gymnasium wählen konnten.

10.1.2 Einführung eines „romanischen Zweiges“: Eine „fruchtbare Symbiose“ der sprachlichen Fächer in der Oberstufe